Sylt ist für seine weiten Strände, Luxus-Häuser und edlen Restaurants bekannt. Zuletzt haben geballte Negativ-Schlagzeilen von der „Insel der Reichen und Schönen“ bundesweit für Aufsehen gesorgt.
Campende Punks, rassistisches Gegröle in einem Edelclub in Kampen, Chaos auf der Bahnstrecke, Bürgermeister-Abwahl und bizarre Immobilienpreise: Diese Themen bestimmten zuletzt das Bild von Sylt – nicht nur medial und mit großem bundesweiten Echo. Sie sind weiterhin Gesprächsstoff, auch über die Inselgrenzen hinaus. Die blank polierte Marke Sylt könnte jetzt mancherorts glanzloser erscheinen.
Touristen trotzen den Sylt-Schlagzeilen zunächst
„Unsere Gäste sind sehr gut darin zu unterscheiden, wann Sylt nur ein aufmerksamkeitsstarker Schauplatz bundesweiter Themen ist, wann es sich um echte Inselthemen handelt und was das mit ihrem Urlaub zu tun hat“, teilte Moritz Luft, Geschäftsführer von Sylt Marketing GmbH (SMG), der Deutschen Presse-Agentur mit.
Die Sylt-Urlauber zeigten sich demnach von den negativen Geschichten über die Insel unbeeindruckt und die Übernachtungszahlen für 2024 seien stabil: „In Anbetracht der angespannten wirtschaftlichen Gesamtlage sehen wir das als Erfolg.“ Das Image der Insel sieht er angesichts der Negativ-Schlagzeilen aktuell nicht bedroht. Es werde seit Jahrzehnten von der natürlichen Strahlkraft Sylts und der Gastfreundschaft sowie dem Qualitätsanspruch der Gäste geprägt – und sei „gefestigt, auch in herausfordernden Zeiten“.
Sylts-Strahlkraft lockt Menschen an
Auch die Sylter tangiere das Geschehen in den Medien eher peripher, teilte Florian Korte, Sprecher der Gemeinde Sylt der dpa mit. „Die oftmals umfangreiche und mitunter kritische mediale Berichterstattung nimmt weniger Einfluss auf das Lebensgefühl der einheimischen Bevölkerung, als es manchmal den Anschein erweckt.“ Der plötzliche Tod des ehemaligen Bürgermeisters Nikolas Häckel zähle nicht dazu und habe auf der Insel große Betroffenheit ausgelöst.
Es sei teils „herausfordernd, die verschiedenen Interessen aus Wirtschaft, Politik und Tourismus sowie der Bürgerinnen und Bürger miteinander zu vereinbaren“. Grund dafür sei auch das bundesweite Interesse an dem Geschehen auf der beliebten Nordseeinsel und deren große Strahlkraft.
Luxusbuden-Käufer sind teils abgeschreckt
Ein Sylter Makler sieht die Bedrohung der Marke Sylt eher von Innen, als von Außen: „Das Produkt Sylt muss wieder besser werden, sonst geht das Image der Insel kaputt“, sagte Peter Peters, Immobilienmakler auf Sylt der dpa. Indirekt wirke dies sich auch auf den Immobilienmarkt aus. Er hält einiges auf der Insel für verstaubt. „Sylt muss so werden, dass es wieder für alle Spaß macht.“
Aus seiner Sicht fehlen interessante Treffpunkte und Orte für verschiedene Altersgruppen: „Macht die in die Jahre gekommene Promenade neu, macht da einen Beachclub hin und organisiert Partys am Strand“, sagte der Sylter.
Er vermisse die Lockerheit und sieht vieles auf der Insel durch Satzungen und Verordnungen blockiert. Entwicklungen hin zu einer aus Umweltschutzgründen autofreien Insel hält er daher für wenig förderlich.
Auch die zeitweise chaotischen Verhältnisse auf der Bahnstrecke von und nach Sylt – mit unpünktlichen und ausfallenden Zügen, teils verstopften Toiletten und dreckigen Waggons – wirken sich laut Peters indirekt auf den Immobilienmarkt der Insel aus. „Die Bahn sorgt für sinkende Attraktivität, sowohl für die Pendler, als auch für die Sylter und ihre Gäste und wird damit zum Problem werden.“
Der Rassismus-Eklat im Sommer im Pony hingegen sowie die Punks auf Sylt schreckten Käufer von Luxus-Immobilien laut Makler nicht. Die Preise für Immobilien auf Sylt waren in Folge der Zinspolitik und der wirtschaftlichen Rezession zuletzt gesunken.
Die A-Promis müssen bleiben
„Wie bei jeder guten Markenführung ist es ein Balanceakt. Sylt muss genau auf die Verteilung innerhalb seiner Gästestruktur achten“, sagte Prof. Dr. Arnd Zschiesche der dpa. An der FH Westküste in Heide hat er eine Professur für Marketing inne und ist außerdem Mitgründer des Büros für Markenentwicklung Hamburg sowie Direktor am Institut für Markensoziologie. Ob und wie sich die Ereignisse auf die Marke Sylt auswirken, zeige sich langfristig.
Für die Marke der Nordseeinsel sei es demnach wichtig, dass ausreichend A-Promis wie zum Beispiel Stefan Aust, Jürgen Klopp oder der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner auf die Insel kommen. Diese Prominenten sorgen dafür, dass andere Menschen angezogen werden, dabei aber der Mythos vom A-Promi-Eiland und mit dieser Strahlkraft die Wirtschaftlichkeit erhalten bleibt, sagt der Markenexperte. Als Beispiel nennt er das Unternehmen Apple, das ausreichend Kreative benötigt, um seinen Status als Marke der Kreativen zu erhalten.
Ohne die Medien wäre Sylt nur eine Insel
„Man muss alles dafür tun, damit das nicht kippt und zum Beispiel nur noch „normale“ Menschen auf Sylt unterwegs sind – es braucht die echten Promis und es ist wichtig darauf zu achten, dass das erhalten bleibt.“ Die Insel benötige laut Experten den konstanten Nachschub an Nachfahren der Sylt-Mythos-Begründer Gunter Sachs und Brigitte Bardot, um ihre Anziehungskraft zu behalten.
Die Marke Sylt werde – abgesehen von ihrer Naturschönheit – von außen gemacht: „Von Gunter Sachs bis Jürgen Klopp – es ist ja nichts, was sich die Insulaner initial ausgedacht haben“, sagte Zschiesche. Sylt braucht die Medien und die Medien brauchen Sylt.
Lindner-Hochzeit: Sylt ist erneut medialer Fokus
Die Lindner-Hochzeit war nach seiner Einschätzung hilfreich, für Sylt als Marke, „denn es wurden alle sozialen Vorurteile bestätigt, die diese Insel prägen beziehungsweise zum Polarisierungspunkt machen – negativ wie positiv“. Starke Marken seien genau dadurch gekennzeichnet, dass sie polarisieren.
Typisch für erfolgreiche Marken sei laut Zschiesche auch, dass die medialen Schlagzeilen ihre Kundschaft ziemlich unbeeindruckt lassen. „Die Gäste, die ihr Sylt lieben, bleiben ihrer Marke treu, solange sie vor Ort ihre gewohnte Leistung erhalten, denn Marken existieren, weil Menschen Gewohnheitstiere sind.“ Das sehe man in der Tourismusbranche sehr stark.
Punks auf Sylt haben Image eher belebt
Die Gefahr sieht er in einem Langzeiteffekt: Wenn eine bestimmte Klientel auf der Insel dominiert, könnte das dazu führen, dass die A-Promis sich eine andere Insel suchen. Das teils massive Bahnchaos und Menschen, die rassistische Texte in einer Kampener Edelbar grölen, können diesen Effekt noch verstärken. „Das wäre der größtmögliche Markengau“, sagte der Marketingforscher.
Die Punks, die zuletzt im dritten Sommer in Folge auf Sylt gecampt und damit bei einigen für Unmut gesorgt hatten, hält Zschiesche für das Image der Insel für „weniger gefährlich, als den Massentourismus“. Er geht ganz im Gegenteil sogar davon aus, dass die Punks durch ihre extreme Polarisierung die Marke Sylt als Kurzzeiteffekt sogar gestärkt haben. Für den Markensoziologen ist eindeutig: „Starke Marken leben von Polarisierung, sie benötigen das Feindbild, um ihr Eigenbild zu stärken.“