In Grönland bauten die USA vor 65 Jahren eine Atomraketenbasis – getarnt als Forschungsstation. Dann versank „Camp Century“ im ewigen Eis, mitsamt dem nuklearen Abfall. 

„Camp Century“ wurde von den USA zwischen Juni 1959 und Oktober 1960 an einem besonders abgelegenen Ort errichtet: mehr als 200 Kilometer entfernt von der Thule Basis – heutiger Name Pituffik Space Base – im Nordwesten Grönlands. Solange sie in Betrieb war, wurde die Anlage als Forschungsstation getarnt, tatsächlich aber ging es darum, Atomraketen gegen die UdSSR in Stellung zu bringen. Unklar ist, inwieweit die dänische Regierung, die Grönland verwaltete, in die Atompläne eingeweiht war.

Beim Bau der Station wurden tiefe und breite Gräben in das Eis gefräst, die dann abgedeckt wurden. Darüber bildete sich eine Eisschicht. Der größte Graben – die „Main Street“ – war immerhin 300 Meter lang. Besonders innovativ war ein mobiler Kernreaktor, der die Anlage mit Strom versorgte. Das Modell M-2 war das erste seiner Art.Kleeblatt_10.20

Damals war die angebliche Forschungsstation kein Geheimnis, es wurde sogar eine Filmdokumentation darüber gedreht. Doch es bildete sich immer mehr Eis über „Camp Century“, sodass es 1967 aufgegeben wurde. Der Reaktor wurde entfernt, doch der radioaktive Abfall blieb in der Anlage zurück und macht bis heute Sorgen.

Nasa stieß zufällig auf „Camp Century“

Von der Oberfläche aus ist das Camp nicht mehr zu erkennen. Die Nasa entdeckte die Reste von einem Flugzeug aus. Aufgespürt wurde die Anlage vom Propulsion Laboratory (JPL) der US-Weltraumbehörde, das den Boden Grönlands und die Eisschichten kartiert.

„Wir suchten nach einer Eisschicht und ‚Camp Century‘ tauchte auf“, sagte Alex Gardner, Kryosphärenforscher am JPL und Co-Leiter des Projektes. „Zuerst wussten wir nicht, was es war.“ Bei der Entdeckung sei ein Radar eingesetzt worden, um die Oberfläche der Eisdecke, ihre inneren Schichten und das darunterliegende Grundgestein zu kartieren – ähnlich wie Ärzte Ultraschall verwenden, um in das Innere des menschlichen Körpers zu blicken. Das System ist in der Lage, dreidimensionale Strukturen zu erfassen. Das konnte man zuvor nicht. Ein Signal reagierte auf die Station, aber man konnte kein Abbild erzeugen. „In den neuen Daten sind einzelne Strukturen der geheimen Stadt auf eine Weise sichtbar, wie wir sie noch nie zuvor gesehen haben“, so Greene in einer Erklärung.

Die Gräben von Camp Century wurden oben abgedeckt
© U.S. Army Corps of Engineers, Cold Regions Research and Engineering Laboratory

Stadt unter dem Eis 

„Camp Century“ ist eine kleine Stadt unter dem Eis. Es handelt sich um 28 Tunnelröhren mit einer Gesamtlänge von 2800 Metern. Tatsächlich diente das Camp nicht wirklich der Forschung. Die Station war für die Besatzung des Projekts Iceworm gedacht. Iceworm war so verrückt, dass man dahinter Dr. Evil aus den Austin-Powers-Filmen vermuten könnte.

WISSEN Operation Rus

Das Vorhaben: Auf einer Fläche dreimal so groß wie Dänemark sollten 600 abgedeckte Gräben für die „Iceman“-Rakete ausgehoben werden, je sechs Kilometer voneinander entfernt. Die „Iceman“ sollte eine abgespeckte Version der „Minuteman“-Interkontinentalrakete werden. Mit etwa 5300 Kilometern Reichweite hätte sie von Grönland fast alle Ziele in der UdSSR erreichen können. Das Areal war so groß, dass die Sowjets die Anlage hätten beschädigen, aber nicht zerstören können. Die Raketen sollten beim Start die Eisdecke über ihren Schächten durchbrechen.

Das Raketenfeld wurde jedoch nie gebaut. „Iceworm“ wurde zugunsten eines anderen Projektes verworfen. Danach wurde die Station noch eine Zeitlang betrieben, dann aber aufgegeben. Hätte man weitergebaut, wäre das Projekt wahrscheinlich ein Fehlschlag geworden. Die ganze Idee mit den Eistunneln bewährte sich nicht. Die Raketenschächte ließen sich zwar relativ einfach anlegen, aber sie waren nicht stabil. Die ganze Eisschicht war nicht so statisch wie erhofft. Das Eisfeld bewegte sich und drückte dann die Schächte ein. Auch wenn die Nasa die Strukturen der Basis jetzt erkennen konnte, wird das Eis die Schächte vermutlich zurückerobert haben.