Vor 50 Jahren spielte Keith Jarrett in der Kölner Oper das legendäre „Köln Concert“ ein, dessen Live-Mitschnitt sich millionenfach verkaufte. Besucher erinnern sich noch genau an den magischen Abend.

Eine lange Anreise mit dem Auto, Rückenschmerzen und dann auch noch ein unzulängliches Instrument: Keith Jarretts Auftritt in der Kölner Oper am 24. Januar 1975 war von widrigen Umständen geprägt. Das Album zum legendären „Köln Concert“ wurde dennoch – oder gerade deswegen – zu einem der größten Erfolge der Jazz-Geschichte. 

Die Live-Aufnahme des heute 79-jährigen US-Pianisten gilt als das meistverkaufte Jazz-Solo-Album aller Zeiten, bis heute wurden rund vier Millionen Exemplare abgesetzt. Zu den besonderen Umständen des Konzerts kommt bald sogar ein Kinofilm heraus: „Köln 75“ mit Mala Emde. 

Der Auftritt vor 50 Jahren ist heute legendenumwoben. Was davon wirklich stimmt und was nicht, lässt sich teilweise kaum mehr sagen. Man erzählt sich in Köln jedenfalls, dass der von der damals erst 18-jährigen Schülerin Vera Brandes organisierte Auftritt beinahe abgesagt worden wäre. Statt dem von Jarrett gewünschten Konzertflügel, einem sogenannten „Bösendorfer Imperial“, soll aufgrund einer Verwechslung nur ein deutlich kleineres Klavier, ein „Bösendorfer Stutzflügel“, auf der Bühne gestanden haben. Dieses Instrument soll einigen Berichten zufolge zudem verstimmt und in schlechtem Zustand gewesen sein. 

Die Ausgangsbedingungen waren alles andere als ideal

Ein Klavierstimmer soll den Stutzflügel schließlich doch spielbar gemacht haben. Angeblich konnte Brandes den damals 29-jährigen Jarrett erst in letzter Minute davon überzeugen, aufzutreten. „Ich werde spielen, aber nur für dich“, soll Jarrett zu Brandes gesagt haben.

Die rund 1400 Zuschauer in der ausverkauften Kölner Oper bemerkten die Umstände nicht. „Das haben wir erst im Nachhinein erfahren. Wir spürten aber sofort, dass wir hier einen magischen Moment erlebten, es war eine ganz besondere Intensität und Aufmerksamkeit, die ich sonst nie wieder bei einem Konzert erfahren habe“, erzählt der heute 71-jährige Erftstädter Fotograf Klaus Erich Haun, der damals mit seinem Bruder das Konzert besuchte.

„Nach der Zugabe war es unglaublich lange mucksmäuschenstill, bis dann ein enthusiastischer Applaus einsetzte.“ Seinem Bruder Heinz-D. Haun ist das Konzert ebenfalls nachhaltig in Erinnerung geblieben: „Wir schwebten zwischen Himmel und Erde und haben uns immer wieder mit strahlenden Augen angesehen“, berichtet er.

Die Aufnahme aus Köln machte improvisierten Jazz populär

Die von Manfred Eicher produzierte und im November 1975 auf dem ECM-Label veröffentlichte rund einstündige Live-Aufnahme stellte von Beginn an einen großen kommerziellen Erfolg dar. Das schlicht gehaltene Cover zeigte Jarrett in Schwarz-Weiß beim Klavierspiel. So steht es noch heute in vielen Plattenregalen. 

Die Aufnahme gilt als Meilenstein, weil sie improvisierte Jazz-Musik bei einem breiten Publikum populär machte. Jarretts ruhiges, harmonisches und stellenweise fast meditativ wirkendes Klavierspiel setzte damals einen neuen Akzent in der Jazzlandschaft, die noch stark vom Free Jazz der 1960er Jahre geprägt war. Möglicherweise hatten auch die durch den Stutzflügel gegebenen Beschränkungen nochmals neue kreative Kräfte in ihm freigesetzt.

Der mittlerweile 79-jährige Jarrett selbst, der auf Grund gesundheitlicher Probleme keine Konzerte mehr gibt, haderte lange Zeit mit dem „Köln Concert“. Wolfgang Sandner berichtet in seiner Jarrett-Biografie, dass Jarrett den Kontakt mit ihm auf längere Zeit abgebrochen habe, als er das Konzert als einen seiner größten Erfolge bezeichnete. Jarrett hält das Konzert nicht für perfekt, den enormen Erfolg der Platte konnte er sich nicht erklären.

Im Jubiläumsjahr erscheinen zwei Filme zu dem legendären Konzert

Doch auch 50 Jahre nach der Veröffentlichung fasziniert die Aufnahme noch immer viele Jazz-Fans und Musiker. Zum Jubiläum wird am Freitag, 24. Januar, der britische Jazz-Pianist Dorian Ford ein Tribut-Konzert in der Kölner Christuskirche geben. Ausgehend von Jarretts damaligem Konzert will er versuchen, sich in eigenen Improvisationen dem „Köln Concert“ zu nähern. Besucher, die vor 50 Jahren bei Jarretts Auftritt dabei waren, erhalten freien Eintritt.

Zudem werden im Jubiläumsjahr zwei Filme zu dem sagenumwobenen Auftritt erscheinen. Der Spielfilm „Köln 75“ unter der Regie von Ido Fluk mit Mala Emde (Vera Brandes), John Magaro (Keith Jarrett) und Ulrich Tukur in den Hauptrollen erzählt die Geschichte aus Sicht von Vera Brandes nach. Der Kinostart ist für März geplant, Premiere ist bei der Berlinale. Ein Dokumentarfilm des französischen Filmemachers Vincent Duceau begibt sich auf die Suche nach dem Originalpiano des Konzerts. Man darf gespannt sein.