Abschiedsszenen bei laufendem Motor: Vor den Schulen im Südwesten sorgen Elterntaxis regelmäßig für Chaos. Mit einer Landeskampagne kämpft Baden-Württemberg seit 2022 dagegen an – mit Erfolg?
Hupende Autos, verstopfte Straßen und dazwischen schlängeln sich Kinder zur Schule: Solche Szenen gehören zum Alltag an vielen Schulen. Das Problem: Zu viele Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto zur Schule. Der Fahrservice der Eltern ist zwar gut gemeint, kann aber gefährlich werden.
Im Jahr 2023 stieg die Zahl der sogenannten Schulwegunfälle auf den Straßen Baden-Württembergs von 357 auf 427 an, wie aus Zahlen des Innenministeriums hervorgeht. Die Zahl der dabei verletzten Schulkinder stieg von 369 auf 440, ein Kind starb.
Zahl der Elterntaxis trotz Kampagne vermutlich konstant
Laut Verkehrsministerium wird etwa jeder sechste Schüler in Baden-Württemberg mit dem Auto zum Unterricht gebracht. „Die Zahl der Elterntaxis wird vom Land Baden-Württemberg selbst nicht erhoben, sie stammt aus der Erhebung „Mobilität in Deutschland“ und fußt auf deren Publikation aus dem Jahr 2017″, erklärte eine Ministeriumssprecherin.
Eine neue Erhebung sei bereits durchgeführt, mit aktuellen Zahlen sei noch in diesem Jahr zu rechnen. „Wir gehen davon aus, dass die Zahlen noch aktuell sind“, hieß es vom Ministerium – und das trotz einer 1,2 Millionen-Euro-Landeskampagne gegen Elterntaxis, die seit 2022 läuft.
Der Weg ist das Ziel
„Movers“ heißt das Programm, das Familien von der Autofahrt zur Schule abbringen soll. „Unser Ziel ist es, die Anzahl der Elterntaxis bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent zu reduzieren, indem immer mehr Schülerinnen und Schüler ihre Wege zu Fuß, mit dem Tretroller oder dem Fahrrad sicher zurücklegen wollen und können“, erklärte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).
Seit dem Start der Kampagne stehen Schulen und Kommunen ausgebildete Berater zur Seite. Sie vermitteln Maßnahmen, um Schulkinder mobiler zu machen und Schulhöfe und Straßen radfreundlicher zu gestalten. In einer positiven Zwischenbilanz zum Jahresende 2024 hieß es vom Ministerium, dass rund 1.000 Schulen und 360 Kommunen beraten worden seien. Das Thema sei spürbar in der Öffentlichkeit angekommen, erklärte Hermann damals.
Bei den Mitteln noch Luft nach oben
Die Kampagne der Landesregierung bezeichnete der Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Baden-Württemberg als guten Ansatz. Bei der Höhe der Mittel sieht der Landesvorstand Jörg Dengler aber noch viel Luft nach oben. „Bäume ausreißen kann man damit nicht“, sagte er.
Weil Eltern die Fahrt zur Schule als Fürsorgeleistung sehen würden, sei es schwierig, einen schnellen Wandel voranzutreiben. Wichtig sei, langsam aber nachhaltig zu überzeugen und für das Thema zu sensibilisieren. „Verbote bringen da nichts.“ Daher sei die Kampagne eine gute Idee. Sie müsse nur noch stärker an den Schulen kommuniziert werden.
Verband: Eltern resistent gegen Beratung
Wenn Schulleiter direkt mit Eltern sprechen würden, sei das Einsehen da, erklärte der Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) in Baden-Württemberg, Gerhard Brand. „Das hält allerdings oft nur so lange, wie Sichtkontakt zur Schulleitung besteht.“
Eltern würden immer tausend gute Gründe anführen, warum ausgerechnet ihr Kind mit dem Auto in die Schule gebracht werde. „Insgesamt schafft dieses Verhalten jedoch eine Situation an den Schulen, die für die Kinder gefährlich ist.“
Zu Stoßzeiten 170 Autos
Dabei sei es enorm wichtig, Kinder bei einem selbstständigen Schulweg zu unterstützen. „Wenn die Regeln im Straßenverkehr spielerisch vermittelt werden, können Kinder den Schulweg selbstsicher bewältigen.“ Kinder aus Nachbarschaften könnten Laufgemeinschaften bilden, Schullotsen könnten den Jüngeren helfen.
Bei einer Schule mit 1.000 Schülerinnen und Schülern würden zu Stoßzeiten nach einer gemeinsamen Umfrage von VBE, dem Deutschen Kinderhilfswerk und dem Verkehrsclub Deutschland etwa 170 Autos gleichzeitig vorfahren, so Brand weiter. „Der VBE weist seit Jahren auf die Problematik hin, die bis heute nichts an Relevanz eingebüßt hat.“