Viele Landwirte hadern mit fehlender Wertschätzung und ungelösten Problemen. Warum sie auf eine politische Kehrtwende hoffen.
Bürokratie, hohe Kosten und fehlende Wertschätzung: Viele Landwirte in Hessen sind auch ein Jahr nach den bundesweiten Protesten nicht zufrieden mit der Politik. Was bewegt sie kurz vor der Bundestagswahl?
Vor rund einem Jahr hatten sich über Wochen deutschlandweit Landwirte zu Protesten versammelt – auch in Hessen gab es Demos. Sie richteten sich gegen Subventionskürzungspläne der Bundesregierung, vor allem für Agrardiesel.
Das Thema bleibt auch rund ein Jahr später und kurz vor der vorgezogenen Bundestagswahl auf der Agenda, zumal es bei diesem Punkt um einen „ungleichen Wettbewerb innerhalb Europas“ geht, sagt Karin Lölkes.
Die Milchbäuerin im Haupterwerb aus Münchhausen gehört der CDU-Kreistagsfraktion im Landkreis Marburg-Biedenkopf an und ist auch Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Marburg-Kirchhain-Biedenkopf. „Wir Bauern halten an unserer Forderung fest, dass wir die Dieselerstattung wiederhaben wollen.“
Für ihren eigenen Hof bedeute der Wegfall hohe Einbußen von etwa 10.000 bis 11.000 Euro jährlich. Mehr als 70.000 Liter Diesel verbrauche der Betrieb. Monatlich würden allein für die Stallarbeit, das Misten und Füttern der Kühe rund 1.000 Liter Diesel verfahren. Damit mache der Kraftstoff auch den größten Teil der Energiekosten des Betriebs aus.
An einer anderen wichtigen Stelle habe sich die Lage verbessert, wie Lölkes sagt: Der Milchpreis habe derzeit ein auskömmliches Niveau erreicht. „Wenn es sich so hält, bin ich eigentlich zufrieden.“
Gemeinschaftsgefühl unter Landwirten
Der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Waldeck, Heiko Kieweg, sagte mit Blick auf Demonstrationen im vergangenen Jahr, die Regierung habe zwar in Teilen reagiert. Aber die Bauern seien dennoch enttäuscht. Von der Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage etwa, die die Bauern schon seit Jahren forderten, sei keine Rede mehr. „Dadurch könnten die Landwirte in guten Jahren Geld zurücklegen für die schlechteren Jahre“, sagte Kieweg. Der Bürokratieabbau sei ein weiteres drängendes Thema, das nicht angegangen werde. Da bleibe es oftmals bei Ankündigungen.
„Dokumentation nagt an uns“
Statt weniger gebe es immer mehr Regeln. Dabei sei der Bürokratieabbau in den Betrieben dringend notwendig, damit ihnen mehr Zeit für die wesentlichen Dinge bleibe und die Landwirtschaft eine Perspektive habe. „Wir können damit umgehen, dass wir wirtschaftlich mal schlechte Jahre haben“, betont Kieweg. „Aber alles, was dranhängt an Dokumentation, die aus unserer Sicht nicht sinnvoll ist, das nagt an uns.“ Er setze schon Hoffnung auf die neue Bundesregierung, sagt der Landwirt.
Beim Agrardiesel hoffe er auf die dringend notwendige Entlastung. „Sonst verlieren wir unsere Wettbewerbsfähigkeit.“ Die Bauern hätten derzeit keine oder kaum Alternativen, ihre schweren Maschinen zu bewegen.
Mehr Respekt von der Politik
Wolfgang Dörr erwartet von der Politik vor allem mehr Wertschätzung. Er betreibt seinen Hof im südhessischen Trebur – vermarktet sein Gemüse und Eier direkt vom Hof. „Wir sind eine Minderheit der Landwirte. Wir sind nicht mal drei Prozent der Bevölkerung, und wir ernähren diese Menschen mit hochwertigen Nahrungsmitteln“, sagt Dörr. Er habe das Gefühl, dass Landwirte nur noch gut für „irgendwelche Skandale“ seien.
Das hessische Landwirtschaftsministerium sieht die Landwirte schwierigen Rahmenbedingungen ausgesetzt. 2024 sei durch Extremwetterereignisse und das erstmalige Auftreten der Afrikanischen Schweinepest geprägt gewesen. „Die Wirtschaftsergebnisse des abgelaufenen Wirtschaftsjahres 2023/2024 liegen deutlich hinter den Rekordzahlen des Vorjahres zurück, jedoch nicht unter dem mehrjährigen Durchschnittsniveau“, heißt es.
Der Bauernverband Hessen sagt, die momentane wirtschaftliche Situation auf vielen Betrieben sei relativ gut. Dennoch sei die Investitionsbereitschaft sehr gering. Dies sei ein Indikator dafür, dass viele Unsicherheiten bestehen.