Ein Hubschreiber und mehrere Polizeiwagen hatten einen Straftäter über viele Kilometer auf der Autobahn verfolgt. Jetzt wurde der Fall wegen des neuen Cannabis-Gesetzes neu verhandelt.

Ein 31-Jähriger, der im Mai 2023 auf der Flucht vor der Polizei 60 Kilometer über die A 61 gerast war und dabei andere Verkehrsteilnehmer gefährdete, ist vom Landgericht Saarbrücken zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt worden. In dem Revisionsprozess reduzierten die Richter das Urteil einer anderen Strafkammer von Ende 2023 somit um drei Monate.

Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre und zehn Monate beantragt, der Verteidiger vier Jahre und drei Monate. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der deutsche Angeklagte, der keine Fahrerlaubnis besaß und mit einem Kilogramm Marihuana in einem nicht zugelassenen BMW X5 unterwegs war, hatte sich eine spektakuläre Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert. Von Niederzissen (Landkreis Ahrweiler) Richtung Koblenz war er über längere Zeit mit mehr als Tempo 200 unterwegs, zu Spitzenzeiten mit 230 km/h. Immer wieder wechselte er riskant die Fahrspuren, mehr als 45 Pkw und Lkw überholte er auf der rechten Spur beziehungsweise auf dem Standstreifen. 

Obwohl ein rechter Vorderreifen platzte, habe er laut Gericht nicht die Kontrolle über das Fahrzeug verloren, sondern sei noch 25 Kilometer weitergefahren. Erst auf dem Rastplatz Hundsheide hatte der Straftäter selbst angehalten und sich im Auto eingeschlossen. Polizeibeamte schlugen die Seitenscheibe ein, öffneten die Tür und nahmen ihn fest. 

„Ich danke dem lieben Gott, dass kein Unfall auf der Autobahn passiert ist“, sagte der Angeklagte. Im Gefängnis habe er viel Zeit zum Nachdenken gehabt. „Für die Taten stehe ich gerade.“

Neuer Strafrahmen durch Cannabis-Legalisierung

Das erste Urteil war vom Bundesgerichtshof in Teilen aufgehoben worden, weil sich die gesetzliche Grundlage und der Strafrahmen durch die Teillegalisierung von Cannabis geändert hatten. In der Wohnung des Homburger Angeklagten, der wegen gefährlicher Körperverletzung, des Besitzes einer verbotenen Waffe und Fahrens ohne Fahrerlaubnis vorbestraft war, waren damals 625 Gramm Marihuana und 55 Gramm Haschisch, ein geladener Schreckschussrevolver und zwei Schlagringe – davon einer mit integriertem Springmesser – entdeckt worden.

Für das Gesamturteil sei es nach Ansicht von Staatsanwalt Erik Schweitzer nicht entscheidend, ob 20 oder 50 Gramm Cannabis oder ein dritter Schlagring gefunden worden seien. Man müsse allerdings den Zusammenhang mit der Flucht vor der Polizei sehen. Dabei handle es sich „um einen von zu vielen Angriffen auf unsere Polizeibeamten“, sagte er. Dieser sei zum Glück ohne schwere Folgen geblieben, es gelte jedoch, ihnen mit den Mitteln des Strafrechts Einhalt zu gebieten und die Polizisten zu schützen: „Auch als Repräsentanten des Rechtsstaates, die im wahrsten Sinne des Wortes ihre Knochen dafür hinhalten.“ 

Auch Richter Ralf Schwinn betonte, dass es bei der Gesamtstrafe nicht um Drogenkriminalität gehe, sondern schwere Verkehrsstraftatbestände im Vordergrund ständen.

Verteidiger Christian Kessler gab zu bedenken, dass es sich beim ersten Urteil um eine „sehr, sehr harte Strafe“ gehandelt habe, aber tatsächlich „gar nichts Feststellbares passiert“ sei. Auch müsse die MS-Erkrankung seines Mandanten, die Zukunftssorgen verursache, bei der Bewertung „mit eingepreist“ werden.