Die Auswertung der Ereignisse zum Jahreswechsel in Berlin geht weiter – strafrechtlich und politisch. Es gibt weitere Zahlen. Über die Konsequenzen wird noch gestritten.
Böller-Exzesse, Angriffe auf Einsatzkräfte, deutlich mehr Brände wie und zahlreiche Verletzte durch – in der Silvesternacht hat es wieder Hunderte Straftaten gegeben. Nach jüngsten Zahlen hat die Polizei 1.533 für Silvester typische Straftaten registriert, wie Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses berichtete.
Dort wurde über die Konsequenzen beraten nach einem Jahreswechsel, bei dem aus Sicht der Verantwortlichen wesentliche Ziele erreicht wurden: Rettungskräfte vor Angriffen schützen und für Sicherheit und Ordnung sorgen. „Das Einsatzkonzept ist aufgegangen“, betonte die Innensenatorin und verteidigte erneut den hohen Personaleinsatz. Wie schon im Vorjahr waren insgesamt rund 4.000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz. Die Feuerwehr war mit knapp 1.550 Helfern im Dienst.
Spranger kämpft weiter für Böllerverbot
Zugleich betonte Spranger wieder: „So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben.“ Die SPD-Politikerin hält Änderungen im Sprengstoffgesetz für unverzichtbar und macht sich für ein Böllerverbot mit Ausnahmen stark. Sie warb erneut dafür, dass Bundesländer die Möglichkeit bekommen, an festgelegten Orten Ausnahmen von dem Verbot zu gestatten – „Pyro-Erlaubniszonen“. Nötig sei ein grundlegender Bewusstseinswandel bei dem Thema.
Die mitregierende CDU sieht das weiterhin anders. Sie sieht unter anderem Probleme bei der Durchsetzung eines generellen Böllerverbots. Fraglich sei etwa, wer die von Spranger angeregten Erlaubniszonen schützen solle.
Grüne und Linke sprachen sich erneut für ein generelles Verkaufsverbot von Pyrotechnik aus. Erfahrungen während der Corona-Pandemie, als ein solches Verkaufsverbot galt, sprächen dafür, so der Grünen-Abgeordnete Vasili Franco.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) machen sich für ein bundesweites Böllerverbot und ein Verkaufsverbot für Pyrotechnik stark. Mehr als 1,9 Millionen Menschen hatten eine entsprechende Online-Petition unterschrieben, als die Unterschriftensammlung vor einer Woche dem Bundesinnenministerium übergeben wurde.
Die Deutsche Feuerwerk Gesellschaft lehnt ein generelles Verbot ab. „Aus unserer Sicht ist die Forderung wenig konsensfähig. Im Gegenteil. Wir glauben, dass es eher eine Reaktanz auslöst“, heißt es in einem offenen Brief an Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Eine Möglichkeit, Einsatzkräfte zu entlasten, sieht die Gewerkschaft aber in feuerwerksfreien Zonen und zentral organisierte Feuerwerken. Außerdem spricht sie sich für reduzierte Abgabemengen und für Pfandbeiträge auf große Feuerwerksbatterien aus.
Mehr als 700 Verdächtige registriert
Unterdessen sorgt in Berlin wieder für Diskussionen, wer die Täter aus der Silvesternacht sind. Nach den Angaben von Spranger wurden bislang 705 Verdächtige ermittelt, Polizisten hätten 682 Personen noch in der Silvesternacht vorübergehend festgenommen.
Sie sollen unter anderem verantwortlich sein für 574 Sachbeschädigungen, 71 Brandstiftungen sowie 256 Körperverletzungen und 281 Verstöße gegen das Waffengesetz. In 94 Fällen wurden demnach Polizistinnen und Polizisten oder Feuerwehrleute bedroht. 23 Einsatzkräfte wurden verletzt.
Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel erklärte, Einsatzkräfte hätten eine deutliche Zunahme von gefährlichen Feuerwerkskörpern registriert. Häufig würden Böller und Raketen auf Menschen abgefeuert – auch um Bilder für soziale Medien zu erzeugen. Einsatzkräfte hätten vermehrt männliche Jugendgruppen beobachtet, die unterwegs seien.
Durchstechen von Namensliste verurteilt
Innensenatorin und Polizeipräsidentin verurteilten in diesem Zusammenhang scharf die Weitergabe einer Namensliste von Verdächtigen. Das Durchstechen sei „inakzeptabel“, betonte Slowik Meisel. „Ich verurteile diese unzulässige Weitergabe aufs Schärfste“, sagte Spranger. Solche Handlungen würden das Vertrauen in die staatlichen Institutionen untergraben.
Das Landeskriminalamt ermittelt zu dem Fall. „Nius“ hatte in der vergangenen Woche eine Liste mit Vornamen von Verdächtigen veröffentlicht. Das Portal des früheren „Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt gab an, die Liste aus Sicherheitskreisen erhalten zu haben. Die Liste basiert offenbar auf Daten von Menschen, die in der Silvesternacht vorläufig festgenommen wurden.
„Mich interessieren keine Vornamen. Mich interessieren keine Staatsangehörigkeiten. Wer Straftaten begeht, muss dafür bestraft werden“, sagte Spranger. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Martin Matz, betonte, zu 98 bis 99 Prozent seien es Männer, die „das illegale Zeugs geworfen“ hätten. „Insofern müssen wir weniger darüber nachdenken, wo die herkommen oder wer deren Eltern gewesen sind. Sondern, warum Männer auf so eine Idee kommen und Frauen ganz offensichtlich nicht“, so Matz.
Erneut Debatte um Namen
Niklas Schrader, Sprecher der Linken, warf der CDU vor, die Debatte um Vornamen in den letzten zwei Jahren „salonfähig“ gemacht zu haben. Die Christdemokraten hatten nach den Krawallen in der Silvesternacht 2022/23 im Innenausschuss nach den Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit gefragt.
Hintergrund war die Annahme der CDU, dass selbst viele deutsche Verdächtige ausländische Wurzeln haben. Zwei Drittel der vorläufig Festgenommenen waren damals Menschen aus dem Ausland ohne deutschen Pass. Es folgte eine heftige Debatte über die Ursachen für Jugendgewalt, über Tatverdächtige mit Migrationshintergrund und deren Nationalität.