Rehlinger sagt ab, Schwesig sagt ab, jetzt kann Bärbel Bas sich einen Top-Job in der SPD aussuchen. Was sagt sie dazu – und was will sie überhaupt? Ein Anruf.
Es könnte schlimmer sein, scherzt Bärbel Bas am Telefon, aber in der Tat: Die 56-Jährige kann sich bei ihren aktuellen Aussichten kaum beklagen.
Schwarz-Rot wird zwar noch ins Werk gesetzt, die Personalfragen – angeblich – erst ganz zum Schluss geklärt. Doch die Sozialdemokratin gilt praktisch als gesetzt für eine wichtige Rolle in der künftigen Koalition, wird für viele Spitzenposten gehandelt. Gesundheits- oder Arbeitsministerin? SPD-Parteivorsitzende? Alles denkbar.
Schmeichelt das? Oder sorgt das für Erwartungsdruck? Bas, die noch vor wenigen Jahren in der Fraktion zu den eher unauffälligen Sozialdemokraten gehörte, winkt betont bescheiden ab. Es sei immer schön, wenn man für fähig gehalten werde, sagt sie am Hörer. „Es setzt mich aber auch unter Druck, für vieles im Gespräch zu sein.“ Am Ende müsse sie eine Entscheidung treffen, wie es für sie weitergehe.
Und wo, auf welchem Posten.
„Es soll ruhig ein bisschen wummern auf den Ohren“
Die SPD wurde bei der Bundestagswahl auf einen historischen Tiefstwert gestutzt, stellt im Bundestag nur noch die drittstärkste Fraktion. Bärbel Bas musste ihr Amt als Bundestagspräsidentin daher an Julia Klöckner von der CDU abgeben. An Einfluss eingebüßt hat die Genossin aber nicht – im Gegenteil. Sie wird flügelübergreifend geschätzt. Zudem haben andere führende Sozialdemokratinnen einen Schritt nach Berlin schon ausgeschlossen. Anke Rehlinger, die Regierungschefin im Saarland etwa. Und im stern gerade erst Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin in Schwerin. „Ich will mein Land vor der AfD retten“, begründet Schwesig ihr Nein.
Somit scheint alles auf Bas zuzulaufen, unklar ist nur noch, für welchen Spitzenjob sie sich entscheidet. Ihren Wahlkreis in Duisburg hat Bas wiederholt direkt gewonnen, zum fünften Mal in Folge, und das gegen den Bundestrend. Das hat Seltenheitswert und verschafft ihr in der Bundespartei, aber auch im mächtigen wie einflussreichen SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen besondere Autorität.
Es sei wichtig, vor Ort ansprechbar und sichtbar zu sein, sagt Bas. Die Menschen wollten keine abgehobenen Politikerinnen und Politiker, die sich nicht mehr um den vermeintlichen Kleinkram kümmerten. „Ich muss daher dringend wieder nach Duisburg, ich bin jetzt seit fast drei Wochen in Berlin eingeschlossen – ich brauche wieder etwas Bodenhaftung.“
Bas gehört zur exklusiven „19er-Runde“ aus Union und SPD, die Schwarz-Rot ins Ziel bringen soll. Ziel sei, noch in dieser Woche fertig zu werden. „Es gibt noch einige dicke Brocken“, sagt Bas, die US-Zölle machten die Verhandlungen nicht einfacher. Aber alle wüssten, dass man zeitnah zum Ende kommen müsse. Die Weltlage erfordere es.
Viel Zeit zum Reflektieren, zur Zerstreuung bleibe da nicht. Die Verhandlungstage sind lang, beginnen für die SPD-Seite meist zwischen 8 und 9 Uhr. Vorbesprechen, rückkoppeln. Wenn sich aber ein Zeitfenster auftue, erzählt Bas, dann gehe sie spazieren und höre Musik. „Alles quer durch den Garten, die Charts rauf und runter, am liebsten etwas mit viel Bass.“ Es solle ruhig „ein bisschen wummern“ auf den Ohren.
Die Sozialdemokratin hält sich gerade vor allem im Backoffice bereit und liest viele Papiere – nicht zuletzt jene, die nach der ungewollten Veröffentlichung der vorgeschalteten Arbeitsgruppen-Ergebnisse dazugekommen sind: Hinweise und Ratschläge von Verbänden oder Unternehmen zum Beispiel.
„Ja“, antwortet Bärbel Bas
Bas‘ frühere Position als Bundestagspräsidentin, qua Amt eine Vermittlerrolle, die keine Parteifarbe kennt, dürfte ihr dabei zugutekommen. Wenn die Lage sehr verhakt sei, sagt sie, dann helfe im Zweifel ein Kaffee, bei dem man die Köpfe in kleinerer Runde zusammenstecke.
Nach dem Hauptschulabschluss lernte sie Schweißen auf der Berufsfachschule, ging aber später zur Duisburger Verkehrsgesellschaft und stieg durch allerlei Zusatzausbildungen in eine Führungsposition auf. Nebenher trat sie 1988, im Alter von 20 Jahren, in die SPD ein. 2009 wurde sie erstmals in den Bundestag gewählt und empfahl sich dort als Gesundheitspolitikerin, bevor sie 2021 zur Parlamentspräsidentin gewählt wurde. Sie ist Fußball-Fan (MSV Duisburg) und fährt eine Harley-Davidson (Low Rider).
Teamarbeit sei wichtig, egal, ob man in einer Führungsposition sei oder nicht – das habe sie aus ihrem vorherigen Berufsleben für die Politik mitgenommen. „Man muss sich auch mal zurücknehmen können, wenn es der Sache dient“, sagt sie, „im Umkehrschluss aber auch im richtigen Moment vorangehen und Führungsstärke zeigen.“
Das fasst auch die derzeitige Situation von Bas recht treffend zusammen.
Die 56-Jährige wird womöglich gar nicht so sehr springen müssen, um als Ministerin oder sogar Parteichefin zu landen. Viele andere Optionen hat die Partei nach den Absagen von Rehlinger und Schwesig nicht. Saskia Esken ist noch Vorsitzende, aber sie ist umstritten. Und viele in der Partei gehen davon aus, dass es Esken ins Kabinett zieht und sie den SPD-Chefposten bald räumen könnte. Ende Juni will die SPD auf einem vorgezogenen Parteitag über ihre neue Spitze entscheiden.
Angesichts des Männerüberschusses aus Niedersachsen stehen die Chancen für eine Frau mit Führungserfahrung aus NRW dafür gerade bestens. Oder zieht es die Duisburgerin, die Wert auf ihre „Bodenhaftung“ legt, doch nach Nordrhein-Westfalen? Am 10. Mai stellt sich auch die SPD-Landespartei neu auf und noch ist unklar, ob die bisherigen Landesvorsitzenden erneut antreten.
Noch hält sich Bärbel Bas bedeckt, was ihre nächsten Schritte sind. Sie hält sich alle Optionen offen, schließt nichts aus. Daher noch eine schnelle Frage zum Schluss: Ob sie gut darin sei, Entscheidungen zu treffen?
„Ja“, antwortet Bas.