6 Tote, mehr als 300 Verletzte – der Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt ist noch immer unfassbar. Der Untersuchungsausschuss nähert sich dem zunächst aus Opfersicht. Und geht an den Tatort.

Sachsen-Anhalts Landesopferbeauftragte Gabriele Theren mahnt Entlastungen für die Betroffenen des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt an. Diese müssten verschiedenen Institutionen immer wieder ihre Erlebnisse schildern, sagte Theren im parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Magdeburg. Die Belastung von Betroffenen könne generell reduziert werden, wenn unter Einhaltung des Datenschutzes Angaben einmal erfasst und potenziellen Hilfestellern zur Verfügung gestellt werden könnten. „Das wäre bei diesen Mengen wirklich sehr, sehr wichtig.“

Laut der Landesopferbeauftragten liegt die Zahl der erfassten Betroffenen aktuell bei 1.650. Das seien Zahlen, die die Polizei registriert habe, orientiert an der Definition des Bundeskriminalamts, sodass auch Zeugen enthalten sein können. Theren sprach von einem „Zahlen-Wirrwarr“. Es werde mit Excel-Tabellen gearbeitet und aufwendig händisch abgeglichen.

Opferbeauftragte als Stimme der Betroffenen

Der Untersuchungsausschuss hatte die Landesopferbeauftragte geladen als Fürsprecherin und Stimme der Opfer. Die Ausschussvorsitzende Karin Tschernich-Weiske (CDU) sagte, man wolle Opfer nicht selbst einladen, um mögliche Retraumatisierungen zu vermeiden.

Kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember 2024, war ein 50-Jähriger aus Saudi-Arabien mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Dabei wurden sechs Menschen getötet und über 300 weitere verletzt. Der Täter sitzt in Untersuchungshaft.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss war im Landtag im Januar eingesetzt worden. Die 13 Mitglieder wollen zunächst das Tatgeschehen und das Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarktes näher beleuchten. 

Sehr schnelle Hilfe am Abend des Anschlags

Theren betonte, den Verletzten sei an dem Abend sehr schnell geholfen worden. Sie habe von den Opfer viel Gutes gehört, viele hätten sich bedankt. Es sei eine Art „Glück im Unglück“ gewesen, dass zahlreiche Ärzte und Rettungskräfte dort waren, um sich eigentlich einen schönen Abend zu machen. So habe es „atypisch wenig Tote“ gegeben. Allerdings liege die Zahl der Schwerstverletzten bei 84. Mit allem medizinischen Know-how werde es bei ihnen „nicht wieder gut werden“. „Das ist für die Angehörigen extremst belastend“, so Theren. 

Die ersten Hilfen für die Betroffenen seien gleich nach dem Anschlag auf den Weg gebracht worden. Es seien Briefe an alle Betroffenen und Angehörigen geschickt worden, von denen man die Anschriften kannte. Schnell habe ein Runder Tisch stattgefunden, eine Hotline der zentralen Traumastelle seien hochgefahren worden. „Gerade die Briefe sind am Anfang gut in Anspruch genommen worden – man hatte jemanden, den man anrufen konnte“, so Theren. 

Es geht den Betroffenen ums Gesehenwerden

Sie sei weiter im Wesentlichen Lotsin. Inzwischen gehe es darum, dass jeder die Anträge bekommt, die er brauche. „Jetzt verschiebt sich das in das verwaltungstechnische Abarbeiten.“ Für den Landesfonds lägen inzwischen etwa 200 Anträge vor. Es würden keine großen Summen ausgezahlt, das Geld sei eher als Anerkennung gedacht, als eine Geste. Sie wissen von vielen Betroffenen, dass es gar nicht ums Geld geht. „Es geht ums Gesehenwerden, ums Wahrgenommenwerden“, so Gabriele Theren.

Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses gingen am Nachmittag auch an den Tatort und die Umgebung. Sie legten an der Johanniskirche, die sich nach der Tat zum Gedenkort entwickelt hat, ein Blumengebinde im Namen des Landtags ab. Die Ausschussvorsitzende Tschernich-Weiske betonte, man sei bei den Opfern und den Betroffenen. Der Ausschuss werde alles tun, um herauszubekommen, wie es zur Tat kommen konnte, und wie Ähnliches künftig verhindert werden könne.

Die Abgeordneten sehen sich den Tatort und die Umgebung an

Bei dem Rundgang durch die Innenstadt sahen sich die Abgeordneten die Zuwege zum Alten Markt an. Der Todesfahrer war über Gehwege auf den Markt gefahren, zwischen Reihen mit Weihnachtsmarktbuden hindurch und über einen weiteren Gehweg auf eine Hauptstraße. Laut dem Fachbereichsleiter Stadtplanung und Vermessung der Landeshauptstadt Magdeburg, Ken Gericke, plant die Stadt Magdeburg die Installation versenkbarer Poller. Sie sollten grundsätzlich versenkt sein und bei Veranstaltungen hochgefahren werden. 

Sicherheitskonzept für Markt geplant

Die Prüfung zu den genauen Standorten sei noch nicht abgeschlossen, so der Stadtplaner. Ein Poller werde voraussichtlich schon im April nahe des Rathauses errichtet. Drei bis vier weitere Poller seien bestellt und sollten so bald wie möglich installiert werden. 

Zudem werde ein Sicherheitskonzept für den Markt und die Zuwege erarbeitet. Die Kosten für die Umsetzung lägen bei 10 bis 15 Millionen Euro, sagte Gericke. Außerdem solle der Markt umgestaltet werden, wofür etwa sieben Millionen Euro veranschlagt würden. Ohne Fördermittel könne die Stadt Magdeburg das aber nicht stemmen.