Deutschland und Italien haben in der Nations League zwei unterschiedliche, aber spannende Halbzeiten abgeliefert. Medien in beiden Ländern kommentieren das Fußballspiel.
Nach 100 Minuten Fußball-Achterbahn war Julian Nagelsmann völlig geschafft. Ein letztes Mal brüllte der Bundestrainer nach Abpfiff seine ganze Freude heraus, dann beglückwünschte er nach dem ganz wilden 3:3 (3:0) gegen Italien stolz seine Spieler um Kapitän Joshua Kimmich. Der Stimmungsklassiker „Major Tom“ dröhnte aus den Boxen des Dortmunder Fußballtempels, die DFB-Elf wirkte nach einer Zitterpartie und über neun Minuten Nachspielzeit komplett erleichtert.
Erst Weltklasse, dann völlig von der Rolle und am Ende beinahe noch in eine Verlängerung gezwungen: Nur dank 45 Minuten Fußball-Machtdemonstration hat die Nationalmannschaft an einem denkwürdigen Abend Italien aus dem Turnier genommen und spielt im Juni vor ihren Heimfans beim Final Four um den Siegerpokal in der Nations League. Die zwei unterschiedlichen Halbzeiten und das kuriose 2:0 für Deutschland beschäftigen Medien beider Länder.
Das schreiben Medien in Deutschland
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Aber an diesem Abend hatte, ganz anders noch als in der ersten Halbzeit drei Tage zuvor im San Siro, alles seinen Platz. Gegen den Ball pressten die Deutschen mit perfekt choreographierter Vehemenz, so dass die Italiener keinen Weg nach vorne fanden, und wenn doch einmal, erledigten die Verteidiger Rüdiger, Tah und Schlotterbeck mühelos den Rest. Mit Ball funktionierte das in Mailand noch mangelhafte Modell mit Musiala und Sané als „Halb-Zehnern“ auch deshalb, weil weiter vorne die wuchtigen Kleindienst und Goretzka als Vorarbeiter unterwegs waren, die Räume schufen, indem sie die italienische Defensive banden. Stiller verteilte die Bälle aus der Tiefe des Raumes, als hätte das in dieser Mannschaft nie ein anderer getan. Und Kimmich machte die rechte Außenbahn ein weiteres Mal zu einer nicht nur heimlichen Spielmacherposition.“
„Spiegel“: „Es war ein wildes Spiel, das die zwei Seiten dieser Mannschaft offenlegte. Dass vor allem aber extrem viel Spaß machte, zuzusehen. Ein fast schon euphorisiertes Dortmunder Publikum ging staunend, raunend, jubelnd, feiernd, feixend mit bei den Wechselfällen dieses Spiels. Eine weitere Partie, die dazu beitrug, die Nationalmannschaft wieder in den Rang der Lieblingsteams der Deutschen zurückzuführen. Von Entfremdung keine Spur mehr. Die Zeit der Bierhoffisierung scheint überwunden.“
„Tagesspiegel“: „Nagelsmann hat das Siegenlernen für seine Mannschaft ganz oben auf die Agenda gesetzt. Das Spiel gegen Italien hat ihr, aber auch ihm, noch einmal vor Augen geführt, wie viel dafür notwendig ist. Unter anderem Konzentration bis zum letzten Moment. Joachim Löw ist in dem für ihn so ungemütlichen Herbst des Jahres 2012 zu einer entscheidenden Erkenntnis gelangt: In der Etappe kann man so viele Siege einfahren, wie man will. Am Ende kommt es immer nur auf den letzten an.“
Und das schreiben Medien in Italien
„Tuttosport“: „Die Azzurri zahlten für eine desaströse erste Halbzeit und lagen an deren Ende mit 3 Toren zurück. Dann kamen sie mit einem Doppelpack von Kean und einem Tor von Raspadori zurück, aber es reichte nicht.“
„Corriere della Sera“: „Eine erste Horror-Halbzeit für Spallettis Team, zur Hälfte lag man 0:3 zurück. Dann der Doppelpack von Moise Kean und Raspadori, doch das Comeback reicht nicht für das Final Four. An Kontroversen mangelt es nicht.“
„Corriere dello Sport“: „Wahnsinnige Unkonzentriertheit von Spallettis Nationalmannschaft, die Zeit mit Protesten beim Schiedsrichter vergeudet und sich bei der deutschen Ecke nicht organisiert. Der Ball geht zu Musiala, der ganz allein und fast ungläubig das Tor zum 2:0 erzielt.“
„Gazzetta dello Sport“: „In der ersten Halbzeit wurden wir von den Deutschen weggefegt. Wir sind wieder aufgestanden und haben unsere Ehre durch Fußballspielen gerettet. Aber das Gefühl bleibt, dass die großen Teams des alten Kontinents vorerst noch eine Stufe über uns stehen.“
„La Stampa“: „Spallettis Italien, das man 45 Minuten lang im Westfalenstadion sah, war eine Mannschaft, die einen gewaltigen Rückschritt machte – im Spiel, in der Persönlichkeit, in der Einstellung und auch in der Konzentration – und die sich von einem Deutschland, das drei Tore schoss und die Azzurri aus dem Turnier warf, überwältigen und zum Schweigen bringen ließ.“