Elon Musk zeigt eine Geste, die an den Hitlergruß erinnert. Absichtlich? Die Unklarheit ist Teil des Problems. Über einen Auftritt, der ungeheuerlich bleibt, egal wie er gemeint war.
Der reichste Mann der Welt hält die Kritik an seiner hitlergrußähnlichen Geste also für einen „schmutzigen Trick“ seiner Gegner. Das jedenfalls schrieb Elon Musk auf seiner Plattform X, nachdem er zweimal den rechten Arm in die Höhe gereckt hatte, während eines Auftritts vor Anhängern von Donald Trump. Wenige Stunden zuvor war der neue alte US-Präsident vereidigt worden, Musk gilt als einer seiner engsten Berater. Spätestens jetzt dürfte auch er einer der mächtigsten Männer der Welt sein. Und dieser Mann, der beklagt sich nun.
Ein „schmutziger Trick“? Das könnte man auch andersherum sehen. Ein schmutziger Trick wäre dann nicht die Kritik an der Geste – sondern die Geste selbst. Danach rief er zwar von der Bühne: „Mein Herz fliegt zu euch“, und damit adressierte er vermutlich die Trump-Anhänger im Publikum. Teil des Problems aber ist, dass sie in Kombination mit der Geste nicht die einzigen waren, die sich angesprochen fühlten.
Was steckt hinter der Geste von Elon Musk? Keine der Erklärungen wirkt beruhigend
Der Publizist und Sohn von Holocaust-Überlebenden Michel Friedman fand gegenüber dem „Tagesspiegel“ deutliche Worte für Musks Auftritt. Eine „Schande“ sei die Geste gewesen: „Die Tabubrüche erreichen einen für die gesamte freie Welt gefährlichen Punkt.“ Friedman sagte auch: „War die Handbewegung Ausdruck dieser politischen Identität? So richtig überraschend wäre das nicht.“
Damit hat er, angesichts von Musks politischer Radikalisierung, einerseits recht. Andererseits zeigt er damit das Problem aller Beobachter auf: Man weiß nicht, wie Musk meinte, was er aufführte. Man kann es, ohne ihm in den Kopf zu schauen, nicht wissen.
Aber keine der möglichen Erklärungen wirkt beruhigend.
Die Sache mit der Hundepfeife
Eins zum Beispiel weiß man inzwischen recht genau: dass Rechtsextreme mehrdeutige Codes senden. Seit Jahren betreiben sie Politik nach dem Prinzip der Hundepfeife. Vereinfacht beschrieben: Man sendet Botschaften, die von jenen empfangen werden, die dafür empfänglich sind – und streitet dann ab, es so gemeint zu haben.
In Deutschland bediente sich etwa Björn Höcke der Methode, als er die verbotene Parole „Alles für Deutschland“ verwendete. Dabei handelt es sich um die Losung der SA, der „Sturmabteilung“ der NSDAP. Der Geschichtslehrer Höcke behauptete, er habe um die Geschichte der Parole nicht gewusst. Inzwischen zieht die AfD mit dem Spruch „Alice für Deutschland“ in den Wahlkampf. Auch das wird verstehen, wer es verstehen soll.
Hat also auch Elon Musk in die Hundepfeife geblasen? Vielleicht ja, vielleicht nein. Die Botschaft jedenfalls kam an. Wie der Rolling Stone berichtet, postete die Ohio-Sektion der rechtsextremen Miliz „Proud Boys“ auf ihrem Telegram-Channel ein Video, das die Geste zeigt. Dazu die Worte: „Hail Trump!“
Die Schlussfolgerung dessen ist nicht, dass Musk ein Nationalsozialist wäre. Schon eher aber könnte sie sein, dass er nicht davor zurückschreckt, nationalsozialistische Codes zu nutzen, um sich die Unterstützung jener zu sichern, die verstehen und befürworten, wofür diese Codes stehen. Anders gesagt: Womöglich sind ihm politische Effekte wichtiger als die Aufrechterhaltung eines Tabus, auf das sich nicht nur die westliche Öffentlichkeit geeinigt hat, nachdem der Nationalsozialismus Millionen Menschen getötet hat. Der gehobene rechte Arm steht wie keine andere Geste für dieses Verbrechen, für diese Bewegung, für diese Ideologie. Und für die ungeheuerliche Überzeugung, dass es Menschen gibt, die weniger wert wären als andere.
Die Geste sendet ein furchterregendes Signal an viele Menschen
Und nun? Vollführt einer der mächtigsten Männer der Welt diese Geste, ob absichtlich oder nicht, auf der größtmöglichen Bühne, im Wortsinn vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Angesichts dessen sollte sich niemand wundern, wenn jene Menschen es langsam mit der Angst zu tun bekommen, die schon jetzt das Ziel von Hass und Hetze sind: Muslime und Juden, Angehörige der LGBTQI-Gemeinschaft oder auch nur Gegner des neuen Autoritarismus nach Prägung von Trump und Musk.
Ja, vielleicht meinte Musk es gar nicht so. Nur weil er das behauptet, muss es nicht unwahr sein. Dann aber hätte er ein besorgniserregendes Geschichtsbewusstsein, was zugegebenermaßen gar nicht so unwahrscheinlich erscheint, seitdem er auf X mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel sprach. Weidel behauptete in dem Gespräch, Hitler sei ein Kommunist gewesen. Musk stimmte zu.
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Vielleicht – und viel mehr mögliche Erklärungen gibt es dann auch nicht – hat Musk auch einfach ein Problem mit fehlender Impulskontrolle. Von einem der mächtigsten Männer der Welt würde man sich etwas anderes wünschen. Es wird nicht besser dadurch, dass er in bester Gesellschaft wäre: Auch Donald Trump steht nicht im Ruf, sich besonders gut unter Kontrolle zu haben.
Bei seinem Auftritt sagte Musk übrigens auch, durch Trumps Wahl sei die „Zukunft der Zivilisation“ gesichert worden. Ob er wohl jene Zivilisation meinte, in der es unter dem Eindruck der Ermordung von Millionen Menschen bislang als unmöglich galt, vor einer Masse den rechten Arm zu heben?
Ebenfalls sagte er, die ganze Menschheit sei an einer Weggabelung gewesen. Damit könnte er recht haben.