Der Machtwechsel in Washington beschert der ohnehin strauchelnden deutschen Wirtschaft nach Einschätzung von Ökonomen wachsende Ungewissheit. Sicher sei nur, dass US-Präsident Donald Trump „mehr an Deals als an einer regelbasierten Weltwirtschaft interessiert ist“, erklärte der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, am Dienstag. Laut einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) befürchten viele deutsche Unternehmen Nachteile.

„Die neue US-Regierung bringt zunächst viel Unsicherheit, und das ist nicht gut für die deutsche Wirtschaft“, erklärte Schularick. Im Falle einer Zollerhöhung drohe ein Rückgang der Exporte aus Deutschland in die USA um „langfristig zehn bis 15 Prozent“, fügte er hinzu. „Das würde unser Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent schmälern.“ Außerdem dürften „viele Unternehmen in den USA investieren und nicht in Deutschland, um hinter die Zollschranken zu kommen“, erklärte der IfW-Präsident.

Anders sähe es demnach aus, wenn es zu einem größeren Handelskonflikt zwischen den USA und China käme. „Wenn Trump den US-Markt gegen chinesische Importe abschotten würde, dann würde China versuchen, seine Produktion in Europa abzusetzen“, erläuterte Schularick weiter. „Dies würde zu einem Preisverfall führen, der für die europäische Industrie sehr problematisch wäre.“ Europa müsse deshalb „auf ein solches Szenario vorbereitet sein, um rasch geeignete Maßnahmen ergreifen zu können“.

Das IW in Köln teilte mit, dass deutsche Unternehmen „sorgenvoll auf die neue Amtszeit Trumps blicken und  Handelshemmnisse und Wettbewerbsnachteile befürchten. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Instituts, die auf den Angaben von 2051 Unternehmen basiert, rechnet knapp ein Drittel der Firmen mit deutlichen Nachteilen durch höhere Energiekosten im Vergleich zu den USA, 28 Prozent befürchten starke Einbußen infolge einer schwächeren Weltwirtschaft.

Vor allem Industrieunternehmen sehen sich stärker betroffen: 40 Prozent dieser Firmen rechnen laut IW „mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen“. Außerdem befürchten die befragten Unternehmen, dass Subventionen für US-Unternehmen, neue Zölle und unterschiedliche Umweltstandards das Geschäft negativ beeinflussen.

„Die neue Trump-Regierung wird deutsche Unternehmen unter Druck setzen“, fasste IW-Konjunkturexperte Michael Grömling die Ergebnisse zusammen. Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu sichern, sei „vor allem eine koordinierte europäische Strategie“ nötig.

Auch der Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Bertram Kawlath, mahnte angesichts des Amtsantritts von Trump ein „geeintes Europa“ an. „Die ‚America-first‘-Politik des neuen Präsidenten erfordert eine geeinte EU, die im globalen Wettbewerb auch mit weniger Unterstützung der USA bestehen kann“, erklärte er. Europa sei „mehr denn je gefordert, die Auswirkungen von Trumps angekündigten Zöllen durch Marktöffnungen im Rahmen von Freihandelsabkommen abzufedern“.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger bezeichnete Trumps Amtsantritt als „Aufforderung an Deutschland und Europa, sich wieder auf die eigenen Stärken zu besinnen“. Dies bedeute „eine Konzentration unserer Politik auf Wettbewerbsfähigkeit und Wiedergewinnung deutscher und europäischer wirtschaftlicher Kraft, wo sie verloren gegangen ist“, forderte er.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach sich gegen übereilte Gegenmaßnahmen der EU auf mögliche Zollerhöhungen aus. Vielmehr solle Europa den USA „Angebote zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit machen“, erklärte Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Deutschland und die EU müssten mit den USA „im Gespräch bleiben“ und eine „positive transatlantische Agenda entwickeln“.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Dienstag beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos, „oberste Priorität“ im Umgang mit den USA habe es für Brüssel,  „gemeinsame Interessen“ zu erörtern und zu Verhandlungen bereit zu sein. „Wir werden pragmatisch vorgehen, aber wir werden stets an unseren Grundsätzen festhalten. Um unsere Interessen zu schützen und unsere Werte zu wahren – das ist der europäische Weg“, betonte von der Leyen.