Offensive gewinnt Spiele, Defensive Titel. Getreu der alten Sport-Weisheit bauen die Bayern gegen PSG ihre Zu-Null-Serie aus. Minjae Kim rückt als Symbolfigur in den Fokus. Er traut dem Team viel zu.

Bei der Klettertour in der komplexen Königsklassen-Tabelle wies Max Eberl plakativ auf das neue Gütesiegel des FC Bayern hin. „Defensive gewinnt Titel, Offensive gewinnt Spiele“, sagte der Sportvorstand in den Katakomben des Stadions, in dem die Münchner am 31. Mai im Heim-Finale auflaufen wollen. „Offensiv haben wir Spiele gewonnen. Jetzt sind wir dabei, eben auch eine wirklich sehr, sehr gute Strecke ohne Gegentor zu spielen.“

Das 1:0 gegen Paris Saint-Germain war als siebtes Spiel in Serie ohne Gegentor nicht nur richtungsweisend auf dem Weg zum direkten Achtelfinal-Ticket in der Champions League. Der knappe, aber souveräne Erfolg brachte auch weiteren Schwung für den prestigeträchtigen deutschen Clásico gegen Borussia Dortmund und den Pokal-Knaller gegen Doublesieger Bayer Leverkusen. Als Symbolfigur für die große Münchner Abwehrlust rückte Innenverteidiger Minjae Kim nach seinem Siegtor per Kopf in den Fokus. 

Kim: „Ich liebe ihn“

„Ich bin sehr stolz“, sagte Kim nach seinem ersten Tor in der Champions League. Der Abwehr-Hüne sieht „natürlich“ Chancen für sein Starensemble auf den Königsklassen-Titel. Mit scheuem Blick verteilte der Südkoreaner bei aller Freude über seinen nach eigener Einschätzung besten Auftritt im Bayern-Trikot höflich Lob an die Kollegen. Vor allem an den ebenfalls erstarkten Nebenmann Dayot Upamecano. „Dayo, ich liebe ihn“, sagte Kim.

Der 28-jährige Kim, im Sommer 2023 als viel gerühmtes Abwehr-Monster für 45 Millionen Euro vom SSC Neapel verpflichtet, vollzieht unter Trainer Vincent Kompany eine bemerkenswerte Wandlung. Der südkoreanische Nationalspieler startete nach seinem Wehrdienst damals in eine schwierige erste Münchner Saison und hatte nach der Asien-Cup-Teilnahme im Winter mit der Form zu kämpfen. Von Kompany-Vorgänger Thomas Tuchel wurde Kim im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid noch als „zu gierig“ abgewatscht. Jetzt wird er immer mehr vom Risiko- zum Erfolgsfaktor.

Kompanys Erfolgs-Ahnung

„Ich habe vom ersten Tag an gesehen, dass unsere Stürmer im Training nicht gerne gegen unsere Verteidiger spielen wollten. Das ist immer ein gutes Zeichen“, beschrieb es Kompany. Bei Verteidigern brauche es im Gegensatz zu Offensivspielern manchmal 10 bis 15 Spiele, bis sie öffentliche Anerkennung bekommen würden, meinte Kompany, einst selbst herausragender Innenverteidiger bei Manchester City.

Der Belgier setzte von Anfang an auf Kim und schenkte ihm Vertrauen. Wie auch Eberl, der Kim und Upamecano vehement nach der 1:4-Klatsche beim FC Barcelona verteidigte. „Es ist einfach schön, dass Minjae seine wirklich hervorragenden Leistungen der letzten Zeit krönt“, sagte der Sportvorstand nach dem Sieg über PSG, das nach Gelb-Rot für den Ex-Dortmunder Ousmane Dembélé am Ende in Unterzahl spielen musste. 

Eberl nennt Schlüssel zum Erfolg

Paris droht mit nur vier Punkten das frühzeitige Aus nach der Liga-Phase. Der FC Bayern, bei dem der Anfang der Saison nicht berücksichtigte Leon Goretzka erneut in der Startelf stand, machte mit dem dritten Sieg im fünften Spiel weiter Boden gut. „Ich schaue nicht auf die Tabelle, weil ich die Tabelle noch nicht verstehe“, sagte Kompany über die reformierte Eliteliga. Drei Siege gegen Donezk (A), Rotterdam (A) und Bratislava (H) sollen folgen.

„Der Schlüssel waren Geduld, Überzeugung und Gemeinschaftlichkeit auf dem Platz“, fasste es Eberl zusammen. In triumphalen Bayern-Jahren war solch eine defensive Stabilität eine entscheidende Titel-Tugend, etwa als die Offensiv-Freigeister Franck Ribéry und Arjen Robben im ersten Triplejahr des Vereins 2013 plötzlich ungeahnte Abwehr-Qualitäten zeigten. Der auch daraus resultierende Champions-League-Triumph im Londoner Wembley-Stadion war Höhepunkt im Duell mit dem BVB, zu dem es am Samstag geht.

Müller sorgt für Lacher

„Dortmund war mein größter Rivale innerhalb Deutschlands und dementsprechend freuen wir uns auch auf den Klassiker“, sagte Thomas Müller. Der 35-Jährige sorgte bei seiner Erklärung für die gewählte Vergangenheitsform für Lacher. „Die meiste Zeit meiner Karriere liegt hinter mir. Also würde ich sagen, dementsprechend, wenn ich zurückblicke, dann war da immer Dortmund mit vorne dabei. Aber gut, das ist ein guter Versuch. Die Spitze werde ich nicht weiter fortführen. Das dürft ihr interpretieren, wie ihr wollt.“ In der Bundesliga-Tabelle liegt die Borussia mit zehn Punkten Rückstand nur auf Platz fünf.

Keinen Interpretationsspielraum lassen die Zukunftspläne der Münchner mit Mittelfeldchef Joshua Kimmich. Er ist als Kapitäns-Nachfolger von Manuel Neuer auserkoren und soll neben Jamal Musiala ein Gesicht des FC Bayern für die kommenden Jahre sein. „Wir sind bereit, dass wenn er sagt, ja, dass wir das dann auch final über den Tisch bringen“, sagte Eberl. „Der Vertrag läuft aus. Josh kann jetzt entscheiden: Möchte er nochmal ein großes Abenteuer gehen? Oder möchte er eine weitere Legende bei Bayern München werden?“