Immer mehr Menschen in Deutschland leiden an psychischen Symptomen. Wer sich Hilfe suchen möchte, der steht häufig vor der Frage: Wie komme ich an einen Therapieplatz?
Schlaflosigkeit, innere Unruhe, anhaltende Traurigkeit oder eine alles betäubende Erschöpfung – alles Symptome, die man ernst nehmen sollte. Während das Stigma von psychischen Erkrankungen nach und nach abnimmt, stehen Betroffene oft vor einem ganz anderen Problem: dem gravierenden Therapieplatzmangel.
Obwohl es Studien zufolge seit der Coronavirus-Pandemie immer mehr Menschen gibt, die Bedarf an einer Psychotherapie haben, bleibt das Angebot dürftig. Dabei könnte der Ausbau des Therapieangebots auch Suizide vermeiden – und damit Leben retten.
Fünf Wochen Wartezeit für einen Therapieplatz
Laut der Bundespsychotherapeutenkammer warten Kassenpatienten durchschnittlich fünf Wochen auf ein psychotherapeutisches Erstgespräch. Dabei wird dann erstmal geschaut, ob der Patient überhaupt eine Therapie benötigt. Meistens lautet die Antwort „Ja!“.
Und dann geht das große Warten erst richtig los: In 40 Prozent der Fälle dauert es dann nochmal drei bis neun Monate, bis die eigentliche Psychotherapie beginnt. Die Therapeutensuche stellt damit oft eine riesige Herausforderung dar, manchmal scheint sie für Betroffene kaum zu bewältigen.
Statt Antworten tauchen dann immer mehr Fragezeichen auf: Wo fange ich an zu suchen? Welche Therapie ist die richtige für mich? Und woran erkenne ich eigentlich, dass mein Psychotherapeut mir guttut? Wir haben Antworten für Sie gefunden:
An wen wende ich mich mit psychischen Problemen?
Es gibt verschiedene Ansprechpartner für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Bei der Suche nach der geeigneten Anlaufstelle kommt es auf die Intensität der Symptome an. Wenn Ihr subjektiver Leidensdruck sehr hoch und akut ist, dann gibt es immer die Möglichkeit, sich an die Telefonseelsorge unter der Nummer 0800 1110111 zu wenden oder den Notruf zu wählen.
Wenn es sich nicht um einen mentalen Notfall handelt, dann sind Psychiater und Psychologische Psychotherapeuten die besten Ansprechpartner. Der Unterschied: Psychiater haben eine ärztliche Grundausbildung und dürfen deshalb auch Medikamente verschreiben. Psychologische Psychotherapeuten haben in der Regel Psychologie studiert und eine Therapeutische Zusatzausbildung genossen – sie dürfen keine Medikamente verschreiben.
In beiden Fällen ist eine Kassenzulassung wichtig, wenn Sie gesetzlich versichert sind. Andernfalls gibt es die Möglichkeit, sich die Kosten von der Krankenkasse über das Kostenerstattungsverfahren zurückzuholen, das wird aber nur in Ausnahmefällen genehmigt. Grundsätzlich ist es natürlich auch möglich, die Psychotherapie selbst zu zahlen – der Stundensatz liegt aktuell bei rund 100 Euro.
Wen das nicht abschreckt, der kann sein Therapieglück theoretisch auch bei einem Heilpraktiker für Psychotherapie suchen. Anbieter mit dieser Qualifikation haben allerdings oft keine ärztliche oder psychologische Ausbildung absolviert, sondern ihr psychotherapeutisches Wissen bei einer Prüfung des Gesundheitsamtes unter Beweis gestellt.
Will heißen: Nicht jeder Heilpraktiker für Psychotherapie hat eine fundierte Ausbildung und kann Ihnen wirklich helfen. Ein Punkt, der schon oft in der Kritik stand. Denn viele Patienten unterscheiden zunächst nicht zwischen Psychiater oder Psychologischen Psychotherapeuten und einem Heilpraktiker für Psychotherapie. Dabei gibt es große Unterschiede, auch in der Ausübung der Tätigkeit. Heilpraktiker für Psychotherapie dürfen keine Medikamente verschreiben und können nicht alle psychischen Krankheiten behandeln. Trotzdem gibt es Vertreter dieser Zunft, die bei Depressionen oder Angststörungen eine gute Anlaufstelle sind.
Sie erkennen sie zum Beispiel daran, dass sie beim Erstkontakt eine ausführliche Anamnese mit allen bisherigen ärztlichen Diagnosen erstellen und Ihnen auch dazu raten, körperliche Ursachen von einem Facharzt ausschließen zu lassen. Seriöse Therapieangebote beinhalten außerdem keinerlei unrealistische Versprechen oder esoterische, experimentelle Methoden. Heilpraktiker für Psychotherapie dürfen eine ganze Bandbreite an Therapieformen anwenden. Wissenschaftlich erwiesen ist bislang allerdings nur die Wirkung von Gesprächs- und Verhaltenstherapie.
Achten Sie bei der Wahl Ihres Therapeuten also darauf, mit welchen Methoden er arbeitet – und ob er in Ihrem Fall etwas ausrichten kann. Gerade bei Verdacht auf schwere Depressionen, Schizophrenie oder eine andere Persönlichkeitsstörung sollten Sie von ihm an einen Facharzt für Psychotherapie verwiesen werden, da diese Krankheitsbilder die Behandlungsmöglichkeiten des Heilpraktikers überschreiten.
Wie bekomme ich einen Termin beim Psychotherapeuten?
Grundsätzlich braucht man für eine Psychotherapie keine Überweisung vom Hausarzt. Trotzdem lohnt sich ein Besuch in der Praxis, etwa um körperliche Ursachen auszuschließen oder sich zunächst einer vertrauten Person mitzuteilen. Oft haben Hausärzte auch einen direkten Draht zu Psychotherapeuten – das kann helfen, einen schnelleren Termin zu kriegen.
Üblicherweise läuft es aber so ab: Sie wenden sich mit ihren psychischen Symptomen direkt bei den Psychotherapeuten oder Psychiater. Die haben oft eine extra Telefonsprechstunde dafür eingerichtet. In dem Telefonat erklären Sie dem Psychotherapeuten grob, worum es geht und der informiert dann über seine Verfügbarkeiten.
In der Regel wird ein Termin für die psychotherapeutische Sprechstunde ausgemacht. Diese dient dazu, den Therapiebedarf und eine Verdachtsdiagnose festzustellen. Dafür stellt der Therapeut einige Fragen zu den Symptomen und der Lebensgeschichte. Wenn nötig wird hier auch über einen stationären Aufenthalt gesprochen.
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Sollten Sie selbst keinen Erfolg bei der Suche nach einer ersten Sprechstunde haben, können Sie die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung nutzen. Dort bekommen Sie einen Termin innerhalb von vier Wochen, in akuten Fällen sogar innerhalb von zwei Wochen. Allerdings kann der Psychotherapeut überall in einem Umkreis von 100 Kilometern sein. Sie erreichen den Telefonservice unter der Telefonnummer 116 117.
Alternativ können Sie bei Ihrer Krankenkasse eine Liste von Psychotherapeuten mit Kassenzulassung anfragen und diese abtelefonieren. Heutzutage ist das oft nötig, um einen Termin zu bekommen; hier sind aber Nerven und Geduld gefragt. Es reicht oft übrigens nicht aus, auf den Anrufbeantworter zu sprechen – versuchen Sie stattdessen, jemanden persönlich zu erreichen.
Was passiert nach der psychotherapeutischen Sprechstunde?
Was viele Patienten nicht wissen: Es muss nicht bei einer psychotherapeutischen Sprechstunde bleiben. Die Krankenkasse zahlt bis zu sechs dieser Sitzungen. Stressen Sie sich also nicht, wenn die erste Stunde nicht gut lief oder Sie sich bei dem Therapeuten nicht wohl gefühlt haben.
Wenn es dann aber doch bei einem Psychotherapeuten gefunkt hat, dann folgen auf die Sprechstunde noch zwei bis vier sogenannte probatorische Sitzungen. Der Sinn und Zweck dieser Probesitzungen ist es, eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Therapeuten und Patient aufzubauen. Außerdem kann der Psychotherapeut dabei genug Informationen sammeln, um die Psychotherapie anschließend mit guten Argumenten bei der Krankenkasse zu beantragen.
Gut zu wissen: Hier gibt es zeitlichen Spielraum. Einige Therapeuten nutzen diesen, um die Wartezeit auf den eigentlichen Therapiebeginn für den Patienten erträglicher zu machen. Das heißt, statt wöchentlich findet die Therapie dann vielleicht alle drei Wochen statt. So ist die Lücke zwischen der letzten Probesitzung und der ersten richtigen Therapiestunde nicht so groß und man kann direkt daran anknüpfen.
Wie lange dauert eine Psychotherapie?
Die Dauer der Behandlung liegt zunächst im Ermessen des Therapeuten. Gemeinsam mit ihm können Sie selbst abstecken, wie schwer die psychischen Probleme sind und welche Länge voraussichtlich nötig sein wird. Es gibt drei Möglichkeiten:
Akutbehandlung: In 12 Sitzungen werden die akuten Probleme behandelt.
Kurzzeittherapie: 24 Sitzungen, um beispielsweise leichte Depressionen in den Griff zu kriegen.
Langzeittherapie: Hier werden in bis zu 300 Stunden chronische oder tiefgreifende psychische Erkrankungen behandelt.
Übrigens: Es gibt die Möglichkeit, die Therapiedauer zu verlängern, wenn man merkt, dass die Symptome noch nicht verschwunden sind.
Welche Therapieform ist die Richtige für mich?
Die Wahl der Therapieform hängt auch immer mit dem eigenen Therapieziel zusammen. Wenn Sie gerne einen gesunden Umgang mit den Symptomen und der eigenen Vergangenheit lernen wollen, dann ist Verhaltenstherapie vielleicht die geeignete Variante. Hierbei werden erlernte Verhaltens- und Denkmuster rausgearbeitet und durch praktische Übungen schrittweise zum Positiven verändert.
Wenn es Ihnen aber darum geht, Ihre aktuelle Situation wirklich tiefgreifend zu verstehen und zu verarbeiten, dann spricht das für eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Dafür werden in direkten Gesprächen Verbindungen zwischen aktuellen Problemen und der Vergangenheit hergestellt, um die Ursachen zu finden.
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In der Psychoanalyse geht es auch darum, unbewusste Zusammenhänge besser zu verstehen. Dafür geht man hier aber noch weiter ins Unterbewusstsein, zum Beispiel durch freies Assoziieren. Diese Therapieform dauert deshalb auch deutlich länger als die beiden anderen. Alle drei haben eine Kassenzulassung und werden in Einzel- oder Gruppensitzungen angeboten. Welche Form sich für Ihre individuelle Situation eignet, das wird auch in der psychotherapeutischen Sprechstunde geklärt.
Seit 2020 gehört auch die Systemische Therapie zu den Ansätzen, die von der Krankenkasse übernommen werden können. Diese Therapieform setzt bei dem sozialen Umfeld der Betroffenen an und besteht psychische Erkrankungen als Resultat unseres sozialen Lebens. Es werden unter anderem Beziehungsmuster aufgearbeitet und auf Risiken und Chancen geprüft.
Wie erkenne ich einen guten Psychotherapeuten?
Das Wichtigste zum Schluss: Der Therapierende. Auch, wenn die Suche nach dem Therapieplatz an sich schon herausfordernd ist, sollte man nicht den erstbesten Psychotherapeuten nehmen. Zumindest dann nicht, wenn die Sympathie nicht stimmt. Die ist nämlich das Wichtigste für einen Therapieerfolg. Das ist der subjektive Teil. Es gibt aber auch objektive Merkmale, die einen guten Psychotherapeuten auszeichnen.
Ein guter Psychotherapeut sollte empathisch auf seinen Patienten eingehen und seine Sorgen ernst nehmen. Dabei spielt eine gute Balance aus Nähe und Distanz eine große Rolle. Es sollte immer klar sein, dass es kein Gespräch unter Freunden ist, sich aber auch nicht so anfühlen wie ein Gespräch unter Fremden. Eine vertrauensvolle Basis ist also das A und O. Nur so können Betroffene sich öffnen und sich von ihrer psychischen Erkrankung erholen – oder lernen, damit umzugehen.
Sie leiden an starken Depressionen oder suizidalen Gedanken? Zögern Sie nicht, eine der folgenden Nummern zu wählen:
Info-Telefon Depression: 0800-3344-533Nummer gegen Kummer: 116111Telefon-Seelsorge: 0800-1110111In Notfällen: 112
Quelle: Infoportal der Kassenärztlichen Vereinigung, Infoportal der Bundespsychotherapeutenkammer