Für die Beschäftigten des Berliner Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten ist der Arbeitsdruck schon länger extrem hoch. Nun schlägt der Chef der Behörde mit drastischen Worten Alarm.
Der Präsident des Berliner Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), Mark Seibert, fordert eine deutliche Aufstockung des Personals in seiner Behörde. „Wir bräuchten eigentlich etwa 200 zusätzliche Stellen, um adäquat unsere Aufgaben zu erfüllen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Da muss was passieren, weil auf Dauer ist der Zustand, den die wir hier haben, nicht aufrechtzuerhalten. Wir sind am Ende der Fahnenstange angekommen.“
Noch Anfang 2022 hätten sich 620 Beschäftigte um 22.000 Geflüchtete in LAF-Unterkünften gekümmert. „Heute haben wir 46.000 Plätze in unserem Portfolio, und die Zahl der Beschäftigten ist auf 600 gesunken“, erläuterte Seibert. „Also unser Portfolio hat sich mehr als verdoppelt und meine Belegschaft ist geschrumpft.“ Die Mitarbeiter seien völlig überlastetet.
„Höchst prekäre Situation“
Das LAF ist für die Aufnahme, Unterbringungen und Versorgung von Asylbewerbern und ukrainischen Kriegsflüchtlingen in Berlin zuständig. Seibert beschreibt die Lage in dem Amt als dramatisch. „Das steht Spitz auf Knopf hier. Das ist eine höchst prekäre Situation, in der wir uns befinden.“ Die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in der Abteilung Leistungsgewährung hätten jeweils rund 300 Akten mit Anliegen geflüchteter Menschen zu bearbeiten. „Das sind doppelt so viele, wie ihnen zuzumuten wären.“
Lange Wartezeiten für Geflüchtete
Die Folge: „Die Wartezeiten auf die Bescheide sind teilweise sehr lang. Wir sind relativ weit davon entfernt, Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Menschen mit Behinderungen, mit besonderen Erkrankungen, adäquat zu versorgen, weil das einfach zu lange dauert.“ 300 Fallakten mit Bedarfsgemeinschaften seien im Schnitt 450 Schicksale, 450 Menschen, die sich in einer existenziellen, wichtigen Situation für sie an das LAF wendeten.
Die Zahl der sogenannten Terminvorsprachen geflüchteter Menschen im LAF werde nach dem Rekord im Vorjahr in diesem Jahr wohl einen neuen Höchststand erreichen, so Seibert. „Ich rechne bis zum Jahresende mit etwa 110.000, 115.000 Terminvorsprachen nach 101.000 im Jahr 2024 – und das bei schrumpfender Belegschaft.“
Beschäftigte verlassen Behörde
Etliche LAF-Beschäftigte halten dem Druck nicht mehr stand und verlassen das Amt. „Es ist eine Abstimmung mit den Füßen irgendwann, und ich verstehe das gut“, sagte Seibert. „Wir haben ganz viele Kolleginnen und Kollegen hier, die das aus tiefster Überzeugung machen, was sie machen. Das ist ein unglaubliches Pfund, das wir in der Hand haben. Aber irgendwann sagt hier der größte Idealist: „Ich kann das nicht mehr.““
Das LAF sei in Berlin bereits die Behörde mit den meisten Arbeitskräften von Personaldienstleistern, also Zeitarbeitern. Momentan seien 40 solcher Beschäftigter eingesetzt, die unter anderem die Nachtschichten und Wochenenddienste im Ankunftszentrum in Reinickendorf abdeckten oder den Bereich Leistungssachbearbeitung verstärkten. 80 Stellen im LAF seien speziell für die Betreuung der Ukraine-Flüchtlinge geschaffen worden, würden aber immer nur für ein halbes Jahr verlängert. „Die müssen verstetigt werden, denn das ist eine dauerhafte Aufgabe“, fordert Seibert.
Schon mehrfach Brandbriefe
LAF-Beschäftigte hatten in der Vergangenheit schon mehrfach Brandbriefe veröffentlicht, um auf ihre Arbeitsbelastung und die Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen und vom Senat Unterstützung zu fordern. „Ich hätte das so im Wesentlichen unterschreiben können“, sagte Seibert. „Wir stehen da auf derselben Seite der Barrikade.“