Dorfläden sind auf dem Land oft die einzige Möglichkeit, einzukaufen und sich zu treffen. Steigende Kosten bringen sie aber unter Druck. Rheinland-Pfalz will mit einem Modellprojekt helfen.

Rentnerin Ute Harris kauft im Bürgerladen in Höringen frische Backwaren, Käse und Wurst. Bis zum nächsten Supermarkt müsste sie sonst wegen jeder Kleinigkeit mehr als fünf Kilometer fahren, berichtet die 64-Jährige – für Ältere und Menschen ohne Auto ein besonders Problem. Im Bürgerladen des rund 690 Einwohner großen Orts im Donnersbergkreis kann sie zudem eine Tasse Kaffee bekommen und andere Menschen treffen. 

Vor allem steigende Energie-, Strom- und Lohnkosten bringen die Dorfläden aber zunehmend unter Druck, wie Betreiber berichten. Das rheinland-pfälzische Innenministerium fördert daher mit rund 190.000 Euro in diesem Jahr in einem Modellprojekt die Umstellung auf ein sogenanntes hybrides Angebot: „Morgens geöffnet, nachmittags automatisiert“, bringt Klaus Busch vom Bürgerladen-Vorstand in Höringen das Konzept auf den Punkt. Sein Laden ist einer von vier, die bei dem Projekt mitmachen können.

Bürgerläden sind oft die letzte Anlaufstelle zum Einkaufen und Treffen

In vielen ländlichen Regionen sind die oft mit viel Herzblut und Engagement betriebenen Läden der letzte Anlaufpunkt, um einzukaufen und andere Menschen zu treffen. Automatenverkauf nachmittags, abends und sonntags könnte die Umsätze etwas ankurbeln – ohne das Lohn- und Energiekosten anfallen, hoffen die Betreiber.

Bürgermeister Tim Kuhley aus Mandern im Kreis Trier-Saarburg setzt dabei auf Schichtarbeiter aus benachbarten Industriebetrieben. „Der Dorfladen war in den letzten Jahrzehnten die beste Idee, die dazu geführt hat, die Dorfgemeinschaft zusammenzuführen“, sagt der parteilose Rathauschef. Anfangs habe es zwar Widerstände in dem Ort mit seinen fast 900 Einwohnern gegeben, dann hätten aber die Vereine für die Idee gewonnen werden können und nun gebe es auch ein Bürgercafé. „Wir wollen den Dorfladen nicht mehr missen.“ 

Erste Ergebnisse des Modellprojekts werden im 2. Quartal 2025 erwartet

Erste Ergebnisse des von Fachberatung begleiteten Modellprojekts werden im zweiten Quartal 2025 erwartet und sollen auch den anderen Dorfläden im Land zugutekommen können.

Klaus Meyer vom Dorfladen in Klausen (Kreis Bernkastel-Wittlich) und Mitglied des Bundesvorstands im Verein der Dorfbegegnungsläden nennt das Engagement der Landesregierung bundesweit vorbildlich. Wenn Ende des Jahres auch die letzte Pizzeria in dem rund 1.500 Einwohner großen Ort schließe, werde der Dorfladen noch wichtiger. 

Das Konzept kommt gut an. „Hybride Dorfläden sind eine Möglichkeit, den ländlichen Raum und strukturschwache Regionen zu bespielen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands Rheinland-Pfalz, Thomas Scherer. Wenn es noch Geschäfte gäbe, machten sie aber keinen Sinn. Der stationäre Handel in kleinen Orten sei ja gerade deshalb kaputtgegangen, „weil dort nur die vergessene Milch gekauft wurde“. Für Mittel- und Oberzentren seien die hybriden Angebote ungeeignet. Dort liefen sie den Bemühungen entgegen, die Innenstädte wieder zu stärken. 

Verbände sehen das Konzept positiv

„Das neue Format kann mit digitalen Techniken die ländliche Nahversorgung sichern, ohne auf die bewährten Vorteile des klassischen Dorfladens zu verzichten“, sagt Moritz Petry, Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes. Der Einkauf bleibe außerhalb der regulären Öffnungszeiten möglich – durch digitale Türöffnung, Kartenzahlung und Self-Check-out. „Gleichzeitig können persönliche Bedienzeiten und feste Kaffeetreffs etabliert werden, um den sozialen Aspekt lebendig zu halten.“

Den Betreibern der Supermärkte ermögliche es, auch im ländlichen Raum wirtschaftlich zu agieren und gegebenenfalls auf den Fachkräftemangel zu reagieren, sagt Petry. „Erfolgt die Ausgestaltung in Form von Bürgergenossenschaften oder ähnlichen Modellen, kann beispielsweise auch etwas mehr auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gemeinde eingegangen werden.“ 

„Mehr Zeit für Kunden, die Beratung und Zuwendung brauchen“

„Automatisierte Zugänge und Selbstbedienungskassen nehmen überall zu“, stellt Irmtraud Ehtechame vom Dorfladen in Seibersbach im Kreis Bad Kreuznach fest. Daher habe sie die Idee der Erweiterung des Dorfladens in der 1.250-Einwohner großen Gemeinde um Automaten zunächst skeptisch betrachtet. Inzwischen sehe sie das anders: „Wir haben dann auch mehr Zeit für die Kunden, die Beratung und Zuwendung brauchen.“ Wer es eilig habe, könne schnell am Automaten ziehen, was er brauchte. 

Rentnerin Harris hält das hybride Konzept auch für eine gute Idee. „Neulich sind wir abends aus dem Urlaub gekommen und hatten nichts zu essen zu Hause, da haben wir geschaut, was es im Automaten des Bürgerladens gibt und das gegessen.“