Eklat im Bundesrat: Überraschend feuert Brandenburgs Ministerpräsident Ursula Nonnemacher. Die geschasste Gesundheitsministerin äußert im stern eine Vermutung, warum.

Frau Nonnemacher, am Freitagvormittag kam es zum Eklat im Bundesrat, Sie waren mittendrin: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hat Ihnen dort Ihre Entlassungsurkunde überreicht. Was dachten Sie in dem Moment?
Dass es heute zu einem Eklat kommen könnte, damit hatte ich gerechnet. Aber von einer möglichen Entlassung habe ich erst heute früh erfahren. Vor der Sitzung des Bundesrats haben wir in der Brandenburger Regierung immer eine Abstimmungsrunde. Heute Morgen waren dort alle Punkte geeint, nur beim Krankenhausgesetz gab es einen Konflikt.  

Welchen?
Gestern hatte mir die Staatskanzlei signalisiert, dass Herr Woidke dafür stimmen will, die Krankenhausreform seines SPD-Parteigenossen, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, in den Vermittlungsausschuss zu überweisen. Aber das hätte klar gegen den Koalitionsvertrag verstoßen. Dort steht: Wenn wir in der Landesregierung keine Einigung erzielen, stimmen wir im Bundesrat mit Enthaltung. Und ich war klar gegen den Vermittlungsausschuss in der Sache.

Krankenhaus-Reform

Herr Woidke hat sich über Uneinigkeit in der Landesregierung schon einmal hinweggesetzt – beim Cannabis-Gesetz. Auch da hat er für den Vermittlungsausschuss gestimmt, obwohl Sie dagegen waren. 
Ja, das sollte jetzt bei der Krankenhausreform erneut so ein Bruch der Vereinbarung werden. Ich habe dieses Mal aber gesagt: Ich habe im Bundesrat eine Rede angemeldet, und die werde ich auch halten. Da werde ich die Position des zuständigen Fachministeriums, meines Ministeriums, begründen. Heute Morgen auf dem Weg in den Bundesrat habe ich dann erfahren, dass ich entlassen werden soll.  

Warum sind Sie trotzdem noch zur Sitzung gegangen?
In dem Moment habe ich mir gedacht: Ich gehe da jetzt hin und nehme teil. Ich werde erst gehen, wenn ich eine offizielle Entlassungsurkunde ausgestellt bekomme. Und so ist es dann gekommen.

Wären Sie bei der entscheidenden Abstimmung noch im Raum gewesen: Hätten Sie auf offener Bühne gegen Woidke gestimmt?
Ja. Ich bin entlassen worden, damit ich meine Meinung im Bundesrat nicht mehr vortragen kann. Und damit ich das Votum Brandenburgs mit „Ja für den Vermittlungsausschuss“ nicht gefährde. Hätte ich dagegen gestimmt, Woidke aber dafür, wäre die Stimme Brandenburgs ungültig geworden.

Am Ende haben die Gegner der Reform keine Mehrheit bekommen. Das Vorhaben wird nicht in den Vermittlungsausschuss überwiesen, die Reform ist beschlossen. Hat Dietmar Woidke Sie also völlig umsonst entlassen?
Das kann man so sagen. Ich will die Krankenhausreform überhaupt nicht idealisieren. Aber mit dem Ergebnis, wie es jetzt ist, kann man arbeiten. Es wäre deutlich schädlicher gewesen, diesen ganzen Prozess jetzt in die Tonne zu kloppen. Ich glaube aus tiefstem Herzen, dass die Bundesrepublik aus ihrem Reformstau rausmuss.

Koalitionsvertrag Thüringen 17.31

Wie viel hat Woidkes Vorgehen auch damit zu tun, dass er sich an das Bündnis Sahra Wagenknecht anbiedern will? Mit dem will er gerade eine Koalition abschließen.
Das ist natürlich spekulativ, aber ich vermute, dass das sehr stark damit zusammenhängt. Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat die Bundestagswahl im Blick, in Sachsen hat man die laufenden Sondierungen praktisch abgesagt, in Brandenburg steht man kurz vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages. Es liegt im Interesse des BSW, mit Blick auf die Bundestagswahl eine oppositionelle Haltung einzunehmen und das BSW hat sich immer gegen die weitreichenden Reformen von Lauterbach gewandt – nach dem Motto: Wir wollen den Status Quo verteidigen. Ich unterstelle, dass das für den Ministerpräsidenten eine wichtige Leitlinie war, jetzt auf den letzten Metern vor dem Ziel bloß nicht den Koalitionsvertrag zu gefährden. 

Wie geht es Ihnen nun mit Ihrer vorzeitigen Entlassung?
Ich bin mit mir im Reinen. Zwei Jahre lang bin ich diejenige gewesen, die als Landesministerin manchen Streit mit Bundesgesundheitsminister Lauterbach ausgefochten hat, aber auch mit meiner eigenen Bundestagsfraktion, den Grünen. Mein Ansatz dabei war immer, Verbesserungen für die Patientinnen und Patienten herauszuholen, gerade hier in Ostdeutschland mit den sehr dünn besiedelten Regionen. Das ist mein Anspruch, und meine Verpflichtung. Der bin ich nachgekommen. Deshalb habe ich mich so entschieden, wie ich mich heute entschieden habe. Ich bereue das nicht.