Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erhofft sich von der nächsten EU-Kommission insbesondere den Abschluss neuer Freihandelsabkommen und den Abbau von Bürokratie. „Freihandel ist eine der Grundlagen unseres Wohlstands in Deutschland und in Europa“, sagte Scholz am Montag beim Tag der Industrie in Berlin. „Deswegen werde ich mich gegenüber der neuen EU Kommission mit Nachdruck für mehr und bessere Freihandelsverträge einsetzen.“

Beim Thema Freihandel kritisieren deutsche Wirtschaftsvertreter seit Jahren zu viel Stillstand. Das bereits vor mehreren Jahren fertig ausgehandelte Abkommen mit den südamerikanische Mercosur-Staaten hängt wegen Umweltbedenken und Kritik europäischer Landwirte in der Schwebe. Auch das bereits in Anwendung befindliche Ceta-Abkommen mit Kanada ist noch nicht fertig ratifiziert.

„Handelsabkommen müssen auf der Agenda ganz nach oben“, forderte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm. Er kritisierte die Idee, europäische Werte „in anderen Ländern durch wirtschaftlichen Druck durchzusetzen“, als „gelinde gesagt naiv“. Bei Freihandelsabkommen müsse gelten: „Pragmatismus vor Idealismus.“

Auch Scholz mahnte mehr Pragmatismus an. Konkret schlug er vor, zunächst vor allem Handelsabkommen abzuschließen, für die es nur das grüne Licht auf EU-Ebene und keine Ratifizierung durch die einzelnen Mitgliedstaaten braucht. Letztere ist etwa für weitreichende Investitionsabkommen nötig. „Wenn wir dann Freihandelsverträge haben, in denen nicht alles steht, was man sich darin wünschen könnte, aber die dann schnell geschlossen werden, dann haben wir alle einen Gewinn davon“, sagte der Kanzler.

„Wir erwarten von der neuen Kommission einfachere und schnellere Verfahren und einen ambitionierten Plan zum Abbau von Bürokratie„, sagte Scholz weiter. Diese Prioritäten decken sich weitgehend mit denen des Koalitionspartners FDP. Deren stellvertretender Bundestagsfraktionsvorsitzende Lukas Köhler sagte AFP am Montag, oberste Priorität müssten „Steuersenkungen, Bürokratieabbau und der Kampf gegen den Fachkräftemangel“ sowie eine „starke Freihandels-Offensive“ haben.

„Die neue EU-Kommission muss schnellstmöglich die bereits ausgehandelten Abkommen mit Mercosur und Australien zum Abschluss bringen und weitere Partner für den Freihandel gewinnen“, erklärte Köhler auch mit Blick auf den drohenden Handelskonflikt mit China wegen der angekündigten EU-Strafzölle auf Elektroautos aus China.