Seifiger Boden, schwerer Gegner, spätes Tor – und mit den Schotten fliegen dann auch noch die trinkfreudigsten EM-Fans aus dem Turnier. Auch nicht so easy: der lange Arbeitstag auf und neben dem Platz.
Drittes Gruppenspiel, der Gegner hieß Schweiz, die Qualifikation fürs Achtelfinale hatte das deutsche Team schon vor dem Anpfiff sicher. Ein Grund, warum im Ersten schon alles so nach Zwischenbilanz klang? Bereits um 19.15 Uhr ging die ARD mit der Vorberichterstattung auf Sendung. Esther Sedlaczek und Bastian Schweinsteiger waren ein weiteres Mal gemeinsam im Dienst. Ohne WM-Studio mit entsprechenden Gästen und Interaktion kann das schon mal lang werden.
„Schland in Sicht“, das Motto des Vorberichts, eine Art Wasser-, Verzeihung, Bierstandsmeldung nach zehn Tagen EM. Für ein Fazit ist es noch vor Ende der Gruppenphase fast etwas zu früh, aber es scheint nicht anders zu gehen. Immer und immer wieder müssen fröhliche Fans gezeigt werden, das zweite Sommermärchen sich auf Teufel komm’ raus manifestieren.
Deutschland will sein EM-Sommermärchen unbedingt
Good Beer, ein schönes Mettbrötchen, Dschörmany is wonderful, so die Stimmen des Fanvolkes. Gegenwehr zwecklos. Kritik ebenfalls – „Deuschland-Nörgler, einfach mal die Klappe halten“, hieß es bei der „Bild“-Zeitung. So klingt er, der deutsche Feier-Imperativ.
FS Einzelkritik gegen die Schweiz 23.40
Etwas sachlicher ging es da schon bei Turnierdirektor Philipp Lahm zu, der einräumte, dass transporttechnisch wohl „einige Dinge in den letzten Jahren versäumt wurden“, aber das Turnier liefe super und was die Favoriten angeht, äußerte er sich mit Blick auf Deutschland „sehr optimistisch“.
Um das Thema Euphorie ging es dann auch im Vorab-Gespräch mit Bundestrainer Julian Nagelsmann. Welches Motto der denn diesmal intern für sein Team ausgegeben hätte, wollte Esther Sedlaczek wissen. Nagelsmann gab sich einigermaßen knurrig, traf damit jedoch durchaus ins Schwarze und behielt es lieber für sich: Man solle doch nicht „aus jedem Pille-Palle-Ding eine Schlagzeile machen“.
Besagte Schlagzeilen würden heute sicher anders ausehen, hätte Nico Füllkrug nicht diesen erstklassigen Kopfball kurz Abfiff im Kasten der robusten Schweizer versenkt. Von der „ersten kleinen Krise“ sprach Kommentator Gerd Gottlob während das Spiels, da sei „immer wieder der Wurm drin“. Sein Kollege Thomas Hitzlsperger schlug in die gleiche Kerbe. „Nicht ausreichend, nicht gut genug“, befand Hitz the Hammer, schaltete aber auch gleich in Resilienz-Modus. „Vielleicht hat das Team genau das gebraucht“, so seine Theorie.
Füllkrug ist Joker-Rolle nicht gewohnt
In den Interviews danach eine wohltuend heterogene Gemengelage. Während Toni Kroos fast schon etwas verschmitzt-demonstrative Zufriedenheit ausdampfte, klang Kapitän Ilkay Gündogan etwas selbstkritischer. Sachlich auch Niclas Füllkrug, der anmerkte, es nicht so gewohnt zu sein, als Joker zu spielen, alle jedoch „gut funktioniert“ hätten.
Ganz am Schluss stand Julian Nagelsmann dem Tandem Sedlaczek/Schweinsteiger ein weiteres Mal Rede und Antwort. Der hatte ein besseres Spiel als gegen Ungarn gesehen und äußerte sich „mit Blick auf die nächsten Wochen“ überaus pragmatisch: „Lieber so ein 1:1 als ein 4:0!“ Sprach’s und ging sich einen „Schmatzer“ von seiner Liebsten holen, wie Bastian Schweinsteiger es ausdrückte. Der wiederum wirkte zu später Stunde – nachdem er unter anderem für einen Hackentrick die Kickernote 3 von Esther Sedlaczek bekommen hatte, zudem mit seinem 2:2-Tipp doch ziemlich gut lag – erst einmal reif fürs Bett. Es war für alle ein langer Tag. Einer, der mit einem späten Happy End seinen Abschluss fand. Wie sagte es Gerd Gottlob so treffend: „Mit einem blauen Auge davongekommen“. Am nächsten Samstag sollte es besser abgeschwollen sein. Dann nämlich steht das Achtelfinale an.