Der Städte- und Gemeindebund erwartet von möglichen Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU keine spürbaren Entlastungen bei der Zuwanderung. Dieser Ansatz gehöre in die Reihe möglicher Maßnahmen, es sei aber „nicht davon auszugehen, dass dies kurz- oder mittelfristig für signifikante Entlastung sorgen wird“, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger, der „Rheinischen Post“ vom Samstag. Kritik an den Überlegungen kam aus der SPD und von der Grünen Jugend.
Die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU soll nach Angaben des Bundesinnenministeriums „umfassend und ergebnisoffen“ geprüft werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den Ländern zuvor bei einem Spitzentreffen am Donnerstag zugesichert, bis Dezember Ergebnisse dieser Prüfung mitzuteilen. Vor allem unionsgeführte Länder hatten bei dem Treffen bereits „konkrete Modelle“ für ausgelagerte Verfahren gefordert.
„Wir warnen davor, den Menschen zu suggerieren, solch eine einzelne Maßnahme könne die Flüchtlingssituation nachhaltig verändern“, sagte Berghegger der „Rheinischen Post“. Notwendig seien vielmehr „wirksame Grenzkontrollen, die rasche Umsetzung des EU-Asylkompromisses und die Reduzierung sogenannter ‚Pull-Faktoren‘, etwa durch den Einsatz der Bezahlkarte“. Außerdem müssten Städte und Gemeinden von den Kosten für Unterbringung, Versorgung und Integration „vollständig entlastet werden“, sagte Berghegger. Sie stünden an der Belastungsgrenze.
Aus der SPD kam deutliche Kritik an dem Kompromiss zur Drittstaaten-Lösung. Die Aussagen der Ministerpräsidentenkonferenz zu Asylverfahren in Drittstaaten seien „erneut Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen“, sagte Aziz Bozkurt, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD, dem „Tagesspiegel“. Drittstaaten-Modelle seien rechtlich „mehr als schwierig“ und auch „praktisch nahe des Unmöglichen“.
All dies beseitige außerdem keine Fluchtursachen, sagte SPD-Vize Serpil Midyatli der Zeitung. Vielmehr würden neue Probleme geschaffen: „Asylzentren im Ausland sind teuer, ineffizient und in der Umsetzung kompliziert.“ Kritik kam außerdem von dem SPD-Abgeordneten Hakan Demir. „Insbesondere die unionsgeführten Länder geben sich der Illusion hin, dass man sich der humanitären Verantwortung für Schutzsuchende entledigen kann“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Es sei zudem ein „Irrweg“, diese Aufgaben Ländern mit deutlich geringeren Ressourcen aufzubürden.
Das Bundesinnenministerium hatte für das Bund-Länder-Treffen dutzende Experten zu Asylverfahren in Drittstaaten befragt. Grundlage waren dabei im wesentlichen die Pläne Großbritanniens für Asylverfahren im ostafrikanischen Ruanda und Italiens Vereinbarung zu Asylverfahren in Albanien. Die Mehrheit der Experten zeigte sich dabei skeptisch zur Übertragbarkeit auf Deutschland und verwies auf hohe rechtliche und praktische Hürden.
Die Grüne Jugend bezeichnete die Pläne für Asylverfahren in Drittstaaten als „einen weiteren Schritt hin zu einer restriktiven Abschiebepolitik“. Über ein Drittstaatenmodell zu philosophieren, sei „unseriöse Politik und eine Ablenkungsdebatte“, sagte deren Sprecherin Katharina Stolla den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Auch Stolla kritisierte, dass damit „den Rechten in der Asylpolitik immer wieder hinterhergelaufen“ worden sei. „Wer Rechten hinterherläuft, spornt sie nur an, noch schneller zu laufen.“