Von Klimaschutz wollen sie wenig bis nichts wissen: Dabei war das lange ein Herzensthema von Konservativen und Rechten. Wie passt das zusammen? 

„Jeder Patriot muss ökologisch denken“, befand Marine le Pen einst in einem Interview der „Zeit“. Ja, Sie haben richtig gelesen: Die Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National glaubt, dass auch Rechte Ökos sein sollten. Und sie ist nicht die einzige aus dem Lager: NPD-Politiker wettern gegen Gentechnik, in ihrem ersten Grundsatzprogramm machte sich die Partei für den Schutz von Wäldern und Gewässern stark. Und ein Arbeitskreis der AfD beschäftigt sich mit Fragen nach dem schonendem Umgang mit Ressourcen und dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. 

Nur wer die Umwelt schützt, schützt meist auch das Klima und umgekehrt. Wie passt das zu einem politischen Lager, das Nachhaltigkeit als elitäres Öko-Projekt diffamiert, den menschengemachten Klimawandel in Frage stellt und die Energiewende boykottiert?

Auch Rechte haben grüne Wurzeln

Gewachsen ist der Umweltschutz vor allem durch die Anti-Atomkraft- und 68er-Bewegung. Ein originär links-grünes Thema ist er aber nicht. Tatsächlich wurzelt der Naturschutz bei den Konservativen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Industrialisierung schürte Verlustängste, weil Landschaften und traditionelle Lebensweisen massiv verändert wurden. Der 1904 gegründete Deutsche Bund Heimatschutz – Mutter aller weiteren Naturschutzverbände in Deutschland – sollte die als bäuerlich romantisierte deutsche Kulturlandschaft in Zeiten von Modernisierung und Verstädterung erhalten.STERN PAID Interview Rechtspopulisten Klimawandel 10.08

Im Dritten Reich wurde der Umweltschutz zur Ideologie: Ein gesundes Volk kann nur in einem gesunden Lebensraum gedeihen, fanden die Nationalsozialisten und machten den Umweltschutz zum „Heimat- und Rassenschutz“. Mit den in den 1930er Jahren verabschiedeten Reichsnatur- und Tierschutzgesetzen wurde die damalige Politik aber nicht grüner. Schutzgebiete wurden zwar ausgewiesen, gleichzeitig aber Flüsse begradigt, Moore und Sumpfgebiete trockengelegt, ungenutzte Gebiete für die Landwirtschaft erschlossen und der Zweite Weltkrieg dürfte Umwelt und Klima noch stärker belastet haben. Das Tierschutzgesetz richtete sich nicht an das Wohl der Tiere, sondern gegen jüdische Schlachtrituale, ganz im Sinne des nationalistischen Antisemitismus.

AfD weicht von radikaler Klimaleugnung ab

Heute sind sich alle Parteien einig, dass die Umwelt geschützt werden müsse. Allerdings könnten die Motive unterschiedlicher nicht sein. Und auch bei der Umsetzung gehen die Meinungen weit auseinander.

„Anders als der Naturschutz verlangt die Klimapolitik sehr viel stärker wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen“, sagt Dennis Tänzler, der das Programm Klimapolitik der Denkfabrik Adelphi leitet. Naturschutz lässt sich national begrenzen. Die Klimakrise muss international bekämpft werden – Abschottung ist eher hinderlich, weil CO2-Emissionen und Kipppunkte keine nationalen Grenzen kennen.

Allerdings haben im konservativen und rechten Lager nicht alle dieselbe Haltung zum Klimawandel, zeigt eine Untersuchung zum Abstimmungsverhalten rechtspopulistischer Parteien im EU-Parlament. Die Forscher identifizierten drei Gruppen:

skeptische LeugnerZurückhaltende oder UnbeteiligteZustimmende

Die AfD gehört demnach zur kritischsten Gruppe, die den Klimawandel zunächst als Schwindel abtat. In ihrem Programm für die Bundestagswahl 2021 wich sie jedoch von der radikalen Position ab und stellt seitdem den menschlichen Einfluss auf das Klima in Frage. „Das hängt damit zusammen, dass der Klimawandel breiter diskutiert wird und durch die Forschung immer mehr Wissen zu dem Thema angehäuft wird, sodass es nicht mehr grundlegend geleugnet werden kann“, erklärt Albert Denk von der Freien Universität Berlin. Dafür kritisiert sie nun wissenschaftliche Befunde zum Klimawandel als unglaubwürdig und Schutz- oder Anpassungsmaßnahmen als sinnlos.Heute Show AFD_13.10Uhr

Die Klimaskepsis beschränkt sich allerdings nicht nur auf Rechtspopulisten, sondern reicht bis in die Mitte der Parteienlandschaft, zeigt die Kritik von FDP und Union am geplanten Verbrenner-Aus. „Konservative Parteien insgesamt versuchen, klassische Werte und Verhaltensweisen zu erhalten und sind dementsprechend widerständig gegenüber Veränderungen“, sagt Denk.

Rechte Klimageschichte: lieber opfern statt lösen

In einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes hat er zu den Narrativen populistischer Parteien geforscht und herausgefunden: „Nicht mehr das Grundphänomen wird kritisiert, sondern der Umgang damit.“

Für die Grünen könnte der technische Fortschritt das Klimaproblem zumindest teilweise lösen. Vizekanzler Robert Habeck beschwört deshalb immer wieder die unterirdische CO2-Speicherung in der Nordsee.

Konservative und Rechtspopulisten kontern mit der sozialen Frage. Aus ihrer Perspektive ist der Klimaschutz ein undemokratisches Elitenprojekt, das die persönlichen Freiheiten der Bürger einschränkt. „Klimaschutz ist sehr viel weitreichendere als der Eingriffe. Die Menschen sind im Alltag stärker betroffen, das polarisiert“, erklärt Politikwissenschaftler Tänzler. Konservative und rechtspopulistische Parteien wissen den teils berechtigten Unmut der Bürger für sich zu nutzen, indem sie die grüne Wende auf ihre Nachteile reduzieren.

Die Geschichte geht dann so: Die Energiewende gefährde Arbeitsplätze und Wohlstand, die freien Märkte seien bedroht, Klimaschutzmaßnahmen würden auf Kosten der ärmeren Bevölkerung in ländlichen Regionen umgesetzt. E-Autos können sich auch mit Subventionen nur Reiche leisten, während Treibstoffe für Benziner teurer werden und die Regierung auch die Agrarsubventionen für Landwirte streicht, die mangels Alternativen aber auf ihre Verbrenner angewiesen sind.STERN PAID 03_24 junge Bäuerin IV

Studien belegen zwar, dass die grüne Transformation nicht ohne Einbußen beim Wohlstand ablaufen kann. Allerdings bemühen Rechtspopulisten damit die Opferrolle, ohne nachhaltige Lösungen für die Krise anzubieten und schüren so die Ablehnung in der Bevölkerung.

Kuriose Randnotiz: Parteien wie die AfD nutzen den Umweltschutz als Argument gegen den Klimaschutz. In einem Antrag vom Dezember 2023 forderte sie das Ende der Wind- und Solarenergie und argumentierte mit der Zerstörung der deutschen Kulturlandschaft. Dabei verschärft sie nicht nur den Unmut in der Bevölkerung, der Windkraftanlagen vor der eigenen Haustür ein Dorn im Auge sind, sondern spielen Umwelt- und Klimaschutz gegeneinander aus, obwohl sich beides gegenseitig bedingt.

Wie wackelig ist der Green Deal?

Das zeigt auch der Green Deal. Kürzlich haben die EU-Mitglieder das Renaturierungsgesetz verabschiedet. Es sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten bis 2030 mindestens 20 Prozent ihrer natürlichen Flächen wiederherstellen müssen. Damit schützen die Länder nicht nur ihre Artenvielfalt, sondern auch das Klima. Moore beispielsweise funktionieren als Kohlenstoffsenke und können so den menschengemachten Klimawandel durch die CO2-Emissionen abmildern.

„Wenn der Green Deal mehr national sozial eingebettet würde, etwa über ein Klimageld für Menschen mit geringem Einkommen,  könnte das Protestpotenzial eingedämmt werden“, mutmaßt Tänzler. Dass konservative und Rechte so plötzlich doch noch zu Klimaschützern werden, ist allerdings unwahrscheinlich. Das Renaturierungsgesetz wurde von konservativen Christdemokraten als Bedrohung für die Landwirtschaft kritisiert. Und weil sich die Konservativen gerade in Deutschland auf der Oppositionsbank sitzen, werden sie die grüne Politik künftig wohl auch weiterhin ablehnen.Was hinter dem „Green Deal“ steckt (KORR) 11.40

Nach dem desaströsen EU-Wahlergebnis wähnten viele den Green Deal auf der Kippe. Dass das Projekt künftig scheitert oder zurückgenommen wird, halten Wissenschaftler aber für unwahrscheinlich, weil dafür schon zu viele Punkte von EU-Parlament, -Rat und -Mitgliedsstaaten abgesegnet wurden. Selbst wenn sie wollte, könnten die Rechten die grüne Wende nicht mehr rückgängig machen: Wind- und Solarenergie boomen in mehreren Ländern, China überschwemmt den Markt mit billigen E-Autos und Solarzellen.

Die konservativ-rechte Kritik an der grünen Wende dürfte daher vor allem eines bleiben: Leeres Gepolter, um dem Platz auf der Oppositionsbank gerecht zu werden.

 

Quellen: Politische Ökologie Universität Hamburg, Journal Politische Bildung, Bundeszentrale für politische Bildung, Springer Link, „Ökologisches Wirtschaften“, Umweltbundesamt, Regierungsforschung.de.