Die Pilgerreise nach Mekka – Hadsch – und das anschließende Opferfest sind Muslimen wichtig. Wo beides seine Ursprung hat und was Gläubige daraus für ihren Alltag ziehen, erklärt ein Muslim.
Auf den ersten Blick erscheint es merkwürdig, dass jedes Jahr Millionen von Menschen weltweit um den Globus fliegen und Mühe und Opfer erbringen, um ein mit schwarzem Tuch überzogenes Gebäude zu umkreisen.
Ich denke, dass diese Worte die Gedanken des durchschnittlichen Deutschen über den Hadsch gut wiedergeben sollten – wenn überhaupt bekannt ist, was das ist.
Doch der Hadsch ist eine der fünf wichtigsten Säulen im Islam und umfasst weit mehr als das Umrunden der Kaaba in Mekka.
Ursprünge reichen bis zu Adam zurück
Das Wort Hadsch bedeutet „sich zu einem Objekt der Achtung und Verehrung begeben“. Der Islam glaubt, dass der Prophet Adam der ursprüngliche Architekt der Kaaba war und somit der erste Pilger. Aber nachdem sie außer Gebrauch geraten war, war es der Prophet Abraham, der die Mauern der Kaaba aus ihren Ruinen erhob und so die Grundlagen für den Hadsch legte, wie wir ihn heute kennen.
STERN PAID MuslimaDie Kaaba wurde von Gott als das erste Gebetshaus der Menschheit beschrieben. Der Heilige Koran sagt:
„Wahrlich, das erste Haus, das für die Menschheit gegründet wurde, ist das zu Bakka (Mekka) – überreich an Segen und zur Richtschnur für alle Völker.“ (3:97)
Als Muslim, der sich den Hadsch leisten kann, muss ich ihn mindestens einmal in meinem Leben durchführen. Hadsch ist nicht verpflichtend für Kranke, kleine Kinder oder diejenigen, die es sich nicht leisten können. Auch müssen die Bedingungen auch sicher und geschützt sein, um den Hadsch durchzuführen.
Asif Malik Zur PersonFür die Pilgerfahrt nach Mekka ist eine besondere Zeit festgesetzt, die zugleich an das Opfer Abrahams erinnert, als er in einem Traum sah, dass er seinen Sohn Ismael opfern soll, um Gott seine Treue zu beweisen. Allah teilte ihm dann mit, dass dieser Traum nur symbolisch gemeint war, und dass er anstelle seines Sohnes ein Tier opfern solle. Die Überlieferung von der Prüfung Abrahams durch Gott teilen Juden, Christen und Muslime miteinander.
In Erinnerung daran und als Symbol für das „Töten“ niederer Begierden schlachten wir Muslime meist am Endtag der Hadsch, dem Fest „Eid-ul-Adha“, ein Tier und verteilen das Fleisch an Verwandte, Nachbarn und Bedürftige. Daher gilt das „Opferfest“ als das höchste islamische Fest überhaupt.
Vereinigung der Muslime aus aller Welt
Für mich als gläubiger Muslim, der den Hadsch als eine zentrale Säule meines Glaubens und meiner Spiritualität betrachtet, ist der Pilgergang nach Mekka weit mehr als nur eine religiöse Verpflichtung. Es ist eine tief spirituelle Reise, die mich nicht nur mit meinem Glauben, sondern auch mit Millionen von Muslimen weltweit verbindet.
Der Hadsch ist für mich eine Zeit der Einkehr und der Hingabe, eine Zeit, in der ich mich auf das Wesentliche besinne und meine Verbindung zu Gott stärke. In den heiligen Stätten von Mekka und Umgebung erlebe ich die Geschichte des Propheten Abraham und seiner Familie auf eine Weise, die meine Spiritualität vertieft und meine Demut vor Gott verstärkt.RAMADAN Strecke 6:20
Zu Beginn des Hadsch kleide ich mich in Ihram, ein einfaches, ungefärbtes Gewand, das die Gleichheit aller Menschen vor Gott symbolisiert. Hier fühle ich mich nicht nur als Teil einer spirituellen Gemeinschaft, sondern auch als Teil einer weltweiten Ummah, einer Gemeinschaft von Gläubigen, die über kulturelle und nationale Grenzen hinweg vereint ist.
Umso bedauerlicher finde ich es, dass nicht alle Muslime nach Mekka pilgern dürfen. Die Muslime, die der Ahmadiyya Muslim Jamaat angehören, dürfen beispielsweise nicht in den heiligen Bezirk, in dem der Hadsch stattfindet, pilgern. Die von Saudi-Arabien finanzierte islamische Weltliga schloss die Ahmadiyya bereits in den 1970er Jahren aus, indem sie sie aus politischen Gründen zu Nichtmuslimen erklärte. Die meisten Ahmadis vollziehen die Hadsch trotzdem, jedoch oft im Verborgenen.
Selbstreflexion und spirituelle Erneuerung
Die Umkreisung der Kaaba, dem heiligsten Ort im Islam, ist ein zentraler Ritus des Hadsch. Es ist eine bewegende Erfahrung, die meine Hingabe zu Gott vertieft und mich daran erinnert, dass ich als Muslim dazu berufen bin, mein Leben in Übereinstimmung mit den Lehren des Islam zu führen. Die Rituale des Hadsch sind für mich nicht nur äußere Handlungen, sondern auch eine innere Reise der Selbstreflexion und der spirituellen Erneuerung.
Moslem zu Mannheim Gastbeitrag 18.02Ein weiterer bedeutender Aspekt des Hadsch ist das Werfen der Steine auf die Säulen, die Satan symbolisieren. Dieser Akt erinnert mich daran, dass ich als Muslim aufgerufen bin, das Böse und die Versuchungen in meinem eigenen Leben zu bekämpfen und mich aktiv für das Gute einzusetzen. Es ist ein symbolischer Akt der Reinigung und der Erneuerung meines Glaubens.
Während des Hadsch erlebe ich auch die Vielfalt der muslimischen Gemeinschaft auf eine tiefgreifende Weise. Muslime aus allen Teilen der Welt kommen zusammen, um ihren Glauben zu praktizieren und Gott zu dienen. Es ist eine Gelegenheit, Einheit inmitten von Vielfalt zu erleben und zu erkennen, dass unsere gemeinsame Hingabe zu Gott stärker ist als jede kulturelle oder nationale Kluft.
Der Hadsch lehrt mich auch die Bedeutung von Opferbereitschaft und Hingabe. Viele Pilger reisen unter großen persönlichen Opfern nach Mekka, sowohl finanziell als auch physisch. Dies erinnert mich daran, dass der Glaube oft mit Herausforderungen verbunden ist, aber auch mit großen spirituellen Belohnungen.
Was bleibt vom Hadsch?
Für mich persönlich ist der Hadsch eine Zeit der Erneuerung und der geistigen Reinigung. Es ist eine Zeit, in der ich meine Sünden bereue, um Vergebung bitte und mich darauf konzentriere, ein besserer Mensch zu sein. Es ist eine Zeit des Gebets, der Meditation und der Selbstfindung, die mich jedes Jahr aufs Neue inspiriert und erneuert.
Abschließend ist der Hadsch für mich eine Quelle der Inspiration und eine Erinnerung an die universellen Werte des Islam: Glaube, Einheit, Barmherzigkeit und Frieden. Es ist eine Zeit, in der ich meine spirituelle Verbundenheit mit Gott und meiner muslimischen Gemeinschaft vertiefe und gestärkt aus der Pilgerreise zurückkehre, bereit, diese Werte in meinem täglichen Leben zu verkörpern.
Der Hadsch ist für mich mehr als nur eine Reise; es ist eine Lebenserfahrung, die mein Verständnis des Islam vertieft und mich dazu inspiriert, ein gottesfürchtiges Leben zu führen. Es ist eine Erinnerung daran, dass unsere spirituelle Reise als Muslime niemals endet und dass unser Glaube uns verbindet und uns dazu ermutigt, das Gute zu suchen und für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt einzutreten.
Oder um es mit den Worten von Malcolm X, dem berühmten amerikanischen Bürgerrechtler, zu sagen, der die Atmosphäre, die er während seiner Hadsch in den 1960er Jahren erlebte:
„Es waren Zehntausende von Pilgern aus der ganzen Welt. Sie waren von allen Hautfarben, von blauäugigen Blondinen bis hin zu schwarzhäutigen Afrikanern. Aber wir nahmen alle an demselben Ritual teil und zeigten einen Geist der Einheit und Brüderlichkeit, von dem ich aufgrund meiner Erfahrungen in Amerika glaubte, dass er niemals zwischen Weißen und Nicht-Weißen existieren könnte. Amerika muss den Islam verstehen, weil dies die einzige Religion ist, die das Rassenproblem aus seiner Gesellschaft auslöscht. Sie werden vielleicht schockiert sein über diese Worte, die von mir kommen. Aber auf dieser Pilgerreise hat mich das, was ich gesehen und erlebt habe, gezwungen, viele meiner früheren Denkmuster neu zu ordnen.“