Mit rund zweistündiger Verspätung hat in Brüssel der EU-Sondergipfel zur Vergabe der Spitzenposten nach den Europawahlen begonnen. Das teilte ein Sprecher des belgischen Ratsvorsitzes am Montagabend mit. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kann mit grünem Licht der Staats- und Regierungschefs für eine zweite fünfjährige Amtszeit rechnen. Streit gab es dagegen um die Nachfolge von EU-Ratspräsident Charles Michel.

Nach Angaben aus mehreren Delegationen forderten die konservativen Staats- und Regierungschefs eine stärkere Berücksichtigung der Konservativen bei den Spitzenposten als vor dem Gipfel bekannt. Neben der Kommissionsspitze beanspruchen sie demnach auch das Amt des Ratspräsidenten – zumindest für die Hälfte der fünfjährigen Legislatur.

Auch die Sozialdemokraten erheben Anspruch auf diesen Posten. Sie unterstützen den frühere portugiesischen Regierungschef António Costa. Dieser war im November wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten, die er allerdings zurückweist. Die Webseite Politico berichtet, der konservative kroatische Regierungschef Andrej Plenkovic mache sich Hoffnung auf den Posten.

Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) um CDU und CSU war bei den Europawahlen vor gut einer Woche mit Abstand stärkste Kraft geworden. Die Sozialdemokraten kamen auf den zweiten Platz, die Liberalen wurden mit deutlichen Verlusten drittstärkste Kraft.

Der Gipfelbeginn verzögerte sich, weil Diplomaten zufolge zunächst sechs Staats- und Regierungschefs eine Einigung sondierten. Daran beteiligte sich neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auch Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez für die Sozialdemokraten. Für das bürgerliche Lager nahmen die Regierungschefs von Polen und Griechenland teil, Donald Tusk und Kyriakos Mitsotakis. Für die Liberalen verhandelten laut Diplomaten der bei der Wahl massiv abgestrafte französische Präsident Emmanuel Macron und der scheidende niederländische Regierungschef Mark Rutte.

Scholz hatte vor den Beratungen Hoffnung auf eine Einigung „in kürzester Zeit“ geäußert. Auch einige Diplomaten hatten mit Blick auf das Fußballspiel Frankreich gegen Österreich bei der Europameisterschaft prophezeit, der Gipfel werde bis 21 Uhr enden.

Neben der Kommissionsspitze und dem EU-Ratspräsidenten geht es bei dem Gipfel um die Nachfolge des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Dafür war die estnische Regierungschefin Kaja Kallas im Gespräch. Sie ist eine der größten Unterstützerinnen der Ukraine in der EU.