2006 waren die Kindsköpfe „Poldi“ und „Schweini“ die Sommermärchen-Lieblinge. Jetzt könnte es bei der Heim-EM mit Musiala und Wirtz ein Remake auf andere Art geben. Der Schottland-Trailer passt.

Es war schon nach Mitternacht, als Jamal Musiala die große Bühne in der Münchner EM-Arena noch einmal ganz allein gehörte. Die Auszeichnung als „Man of the Match“ führte dazu, dass der herausragende Fußballer des rauschhaften Eröffnungsabends die Schlussworte im großen Pressesaal sprach. Und die Reporterfrage, ob er beim 5:1 gegen Schottland das Spiel seines Lebens gemacht habe, bejahte der 21-Jährige ohne langes Nachdenken. „Das kann man schon sagen“, antwortete der Bayern-Profi.

Musiala, Florian Wirtz, Ilkay Gündogan, Kai Havertz – und später auch noch Niclas Füllkrug als Joker: Die Offensivabteilung lieferte als Einzelkönner und im Kollektiv mit Spielwitz und Effektivität im Abschluss fast schon titelverdächtig gut ab. „Heim-EM, erstes Spiel, wir wollten gut starten. Ich bin einfach happy, dass wir so viele Tore geschossen haben. Wir können in die nächsten Spiele mit Selbstbewusstsein reingehen“, sagte Musiala.

Ein rauschhafter Auftakt mit dem Label „Wusiala“

Auch wenn Bundestrainer Julian Nagelsmann aus einer funktionierenden Gemeinschaft auf dem Platz „gar nicht einzelne Spieler hervorheben“ wollte, so trug dieser famose Start ins Heimturnier natürlich das Label „Wusiala“. Musiala und Wirtz – die Jungstars waren „on fire“.

Und sie brachten den höchsten deutschen Sieg in der EM-Historie mit ihren frühen Toren aufs Gleis. 1:0-Schütze Wirtz ist mit 21 Jahren und 42 Tagen nun jüngster deutscher EM-Torschütze. Er löste übrigens Kai Havertz ab. Mit dem Elfmeterschützen zum 3:0 und mit Kapitän Ilkay Gündogan kombinierten und zockten Musiala und Wirtz nach Herzenslust. 

„Wir haben alle dieselbe Fußball-Idee da vorne. Ilkay kreiert etwas, mit Kai kannst du kombinieren. Ich denke, über die Spiele wird unsere Verbindung noch weiter wachsen“, schwärmte Musiala. Mit seinem gleichaltrigen Buddy Wirtz harmoniert und versteht er sich eh prima. 18 Jahre nach den Sommermärchen-Lieblingen „Poldi“ und „Schweini“ bei der Heim-WM könnten Jamal und Flo als „Wusiala“ die Fußball-Nation aufs Neue verzücken. 

„Wir brauchen die Zauberer offensiv“

Auch wenn sie anders als die damals jungen Kindsköpfe Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger mit ihrem großen Unterhaltungswert in Presse, Funk und Fernsehen am liebsten den Ball an den Füßen haben, Fußball pur auf dem Platz lieben und verkörpern. „Ich habe oft genug gesagt, dass wir die Zauberer offensiv brauchen“, bemerkte Nagelsmann. 

Und da übertraf der Fußball-Magier Musiala den Turnierdebütanten Wirtz sogar noch am Freitagabend. Musiala umdribbelte die schottischen Gegenspieler wie Slalomstangen. Seine Passquote lag bei 100 Prozent. Und mit seinem wuchtigen Schuss zum 2:0 krönte er seine Weltklasseleistung. Das Publikum erhob sich bei Musialas Auswechslung, zum donnernden Applaus zusätzlich animiert vom für ihn kommenden Bayern-Kollegen Thomas Müller. 

Das Unterschiedsspieler-Duo „Wusiala“ erfüllte gegen überforderte Schotten das, was Nagelsmann von den Jungstars eben auch verlangt. Zum Zaubern „gehört auch Quote“, hatte er mit Blick auf die Torausbeute von Musiala (nun 30 Länderspiele/3 Tore) und Wirtz (19/2) gesagt. Für Musiala war der Abend in seinem Münchner Fußball-Wohnzimmer darum auch ein Akt der Befreiung, der Befreiung von den Schatten der WM in Katar. 

„Bei der WM sind die Bälle nicht reingegangen“

Musiala hat sich für sein drittes Turnier nach der EM 2021 mit wenigen Einsatzminuten als DFB-Azubi und der vermurksten WM 2022 als Stammkraft sehr viel vorgenommen. Gerade nach dem bitteren Katar-Erlebnis, als er zwar nicht schlecht spielte, aber in keiner der nur drei Vorrundenpartien effizient war. „Bei der WM sind die Bälle nicht reingegangen. Ich bin happy, dass er jetzt reingegangen ist“, sagte Musiala hörbar erleichtert. 

Nagelsmann war auch froh. „Jamal hat es sehr gut gemacht in allen Bereichen“, lobte der Bundestrainer. Auch er erinnerte an die WM, bei der noch Hansi Flick und nicht er der Bundestrainer war: „In Katar hat Jamal die Chancen vergeben. Das hat genagt an ihm.“ 

Die düstere Vergangenheit ist Geschichte. Und Musiala ist bereit für mehr. Für mehr Dribblings. Für mehr Tore. Für mehr „Wusiala“-Tage. „Wir wollen dasselbe machen am Mittwoch“, kündigte er mit Blick auf das zweite Gruppenspiel in Stuttgart gegen Ungarn an.