Wochenlang hat die Ampel-Koalition über eine Lieferung der Taurus-Marschflugkörper gestritten. Der Bundeskanzler lehnt eine Lieferung ab. Der Vizekanzler ruft in der Debatte zur Mäßigung auf.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat in der Debatte über militärische Unterstützung für die Ukraine zur Mäßigung in der Ampel-Koalition aufgerufen. „Wenn wir uns jetzt darüber zerstreiten, wie wir helfen, und ob wir etwa den Marschflugkörper Taurus liefern, kann Putin sich zurücklehnen. Das wäre das Dümmste, was wir machen könnten“, sagte der Wirtschaftsminister der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt eine Taurus-Lieferung im Gegensatz zu FDP und Grünen strikt ab. Auch die Äußerung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich über ein Einfrieren des Ukraine-Krieges hatte bei den beiden anderen Koalitionspartnern Kritik ausgelöst. „Wir sollten uns nicht gegenseitig verdächtigen, den Frieden zu gefährden. Derjenige, der den Frieden gefährdet, ist Putin“, sagte Habeck. „Die Toten dieses Krieges sind Putins Tote. Aus der Lage sollte keiner Kapital schlagen, und wir sollten uns auch nicht unterstellen, Kapital schlagen zu wollen.“
Auf die Frage, ob der Streit über Taurus weitergehe, sagte er, am Ende entscheide der Bundessicherheitsrat, dort sei Einstimmigkeit nötig. „Wenn die fehlt, können wir nicht liefern. Übrigens finde ich das Abwägen, wie es der Kanzler für sich in Anspruch nimmt, absolut richtig – auch wenn ich manchmal zu anderen Schlüssen komme.“ Die Uneinigkeit beim Taurus dürfe nicht überdecken, dass man vielen anderen Punkten übereinstimme.
Der Grünen-Politiker warb um Verständnis für die Unterstützung der Ukraine. Man tue das auch aus eigenem Interesse. „Putin will für sein imperialistisches großrussisches Reich ja nicht nur die Ukraine besetzen, sondern auch jenseits der Ukraine die liberale Demokratie destabilisieren. Wenn Putin nicht gestoppt wird, hört er nicht auf.“
Baerbock: Öffentliche Diskussion bringt uns nicht weiter
Außenministerin Annalena Baerbock warnte unterdessen vor einer Fortführung der öffentlichen Taurus-Debatte. „Ich habe mich zu Taurus umfassend geäußert und glaube nicht, dass uns die fortwährende öffentliche Diskussion zu Taurus einen Schritt weiterbringt“, sagte die Grünen-Politikerin der Funke Mediengruppe. Ein Teil der russischen Kriegspropaganda diene dem Zweck, die westlichen Demokratien zu spalten und zu destabilisieren. „Das dürfen wir nicht zulassen. Das gilt erst recht, wenn wir vor Wahlen stehen – wie jetzt vor den Europawahlen oder Landtagswahlen in Deutschland.“
Merz warnt vor ukrainischer Niederlage
CDU-Chef Friedrich Merz hält eine Niederlage der Ukraine derweil für zunehmend wahrscheinlich. „Die Gefahr, dass genau das geschieht, wird größer. Ich sehe die Entwicklung in der Ukraine mit wachsender Sorge“, sagte Merz der „Welt am Sonntag“. Russland habe zwar seine Kriegsziele anders als erwartet bislang nicht erreicht. „Aber: Russland hat seine gesamte Volkswirtschaft mittlerweile auf Kriegswirtschaft umgestellt und produziert Waffen und Munition weit über dem gegenwärtigen Bedarf. Das heißt, Russland rüstet massiv auf, deutlich mehr, als im Krieg gegen die Ukraine verbraucht wird.“
Erneut hob Merz die Bedeutung einer möglichen Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern hervor. „Die Taurus-Marschflugkörper sind keine Wunderwaffe. Aber damit könnte die Ukraine die Nachschublinien für die russische Armee empfindlich treffen“, sagte der Oppositionsführer. Für die erfolgreiche Selbstverteidigung der Ukraine sei das von großer Bedeutung.