Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Deka Bank. Im Interview erklärt er, warum der Anschlag auf Donald Trump die Märkte kaum bewegt – und was ein möglicher Wahlsieg für Anleger bedeutet.
Herr Kater, die Märkte haben nach dem Anschlag auf Donald Trump zum Wochenauftakt kaum reagiert. Überrascht Sie das?
Nein, überhaupt nicht. Die Märkte preisen allenfalls eine höhere Wahlchance für Donald Trump ein. Das sieht man an der leicht höheren Zinsstrukturkurve, weil ein Wahlsieg von Donald Trump wohl zu einem größeren Haushaltsdefizit führen würde. Aber die Reaktion an den Kapitalmärkten auf das Ereignis ist eher moderat, weil trotz der klaren Siegchancen Trumps nicht klar ist, was dieser als Präsident wirtschaftspolitisch tatsächlich umsetzen könnte.
Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Deka
© Deka Bank
Gab es andere Ereignisse, die den Effekt des Anschlags überlagert oder verzerrt haben – zum Beispiel die guten Inflationsdaten, die zu früheren Zinssenkungen führen könnten?
Politisch gibt es heute wohl nichts, was mehr Beachtung findet als das Attentat. Aber das ändert die wirtschaftlichen Perspektiven für die nächsten zehn Jahre nicht so sehr, dass die Märkte darauf reagieren müssten. Letztlich hat sich die Wahrscheinlichkeit für eine zweite Amtszeit Donald Trumps nochmal erhöht, aber sie war schon zuvor ziemlich hoch.
Inwiefern ist der Sieg von Donald Trump schon eingepreist?
Ich denke, sie haben ihn komplett eingepreist. Wir sehen die daraus folgenden Belastungen für den US-Haushalt schon an der Zinskurve, für die Aktienmärkte wird Trump zumindest kurzfristig als positiv eingeschätzt. Die Ökonomie reagiert auf solche Ereignisse deutlich gedämpfter als die Politik. Politisch kann ein Attentat sehr schnell sehr viel bewegen – ökonomisch gesehen muss man abwarten, was ein künftiger US-Präsident tatsächlich alleine durchsetzen kann. Das dauert. Klar ist aber auch, dass politische Instabilität in den USA den Standort verschlechtert. Starke Reaktionen an den Finanzmärkten würde jetzt nicht mehr die Wahl Trumps zum Präsidenten auslösen, sondern ein Szenario von Chaos und Gewalt rund um den Wahltag oder danach.
Die Zinsstrukturkurve und damit Anleiherenditen reagieren also offenbar auf einen Trump-Sieg. Sehen wir das auch auf anderen Märkten?
Ja, es ist typischerweise so, dass Regierungswechsel die gesamte Wirtschaft weniger bewegen als einzelne Branchen. Bei Trump wäre natürlich das Thema CO2-Transformation zu nennen, das zurückgenommen werden könnte. Verbrenner könnten langsamer durch E-Autos ersetzt werden. Fossile Energien würden eindeutig profitieren. Und dann wäre da noch das ganze Thema Strafzölle, das die Old Economy zwar kurzfristig stärken, langfristig aber enorm schwächen würde. Dann nämlich, wenn die Zweitrundeneffekte nach fünf Jahren einsetzen werden und der Welthandel auseinandergebrochen ist.
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Viele Anleger stellen sich jetzt die Frage, wie sie ihr Portfolio auf einen Präsidenten Donald Trump einstellen müssen. Was sollten sie tun?
Die Umwälzungen sind nicht so gravierend, dass Amerika plötzlich kein investierbarer Markt mehr ist. Das kapitalistische System wird erhalten bleiben, wenn nicht sogar gestärkt. Wir sehen kein politisches Risiko in dem Sinne, dass Anlagen in den USA plötzlich enteignet werden würden. Also gelten die Regeln, die bisher schon gegolten haben: weiterhin breit streuen, möglicherweise noch stärker international als gestern. Echte politische Risiken bleiben aus unserer Investorensicht Ländern wie China und Russland vorbehalten.
Aber die Märkte diskutieren doch schon über ein Schleifen der US-Notenbank, wenn Donald Trump an die Macht kommt. Wie preisen Sie dieses Risiko ein?
Das Risiko ist real und würde dann zu weiter ansteigenden Risikoprämien und einer steileren Zinskurve führen. Aber noch mal: das weiß heute niemand, und es wäre ein gravierender Eingriff in die Finanzverfassung, der nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Es ist daher nicht rational, das heute schon als gegeben zu betrachten. Das, was heute realistisch ist – ein höheres Haushaltsdefizit unter Trump – preisen die Märkte derzeit ein. Alles andere geht zu weit.