2006 waren Podolski und Schweinsteiger die Sommermärchen-Lieblinge. Bei der Heim-EM rückt ein neues Jungstar-Duo in den Fokus. Wie prägend werden Musiala und Wirtz? Ein Pechvogel ist schon raus.

Die Aufwärmübungen beim vorletzten Training vor dem großen Eröffnungsspiel absolvierte Jamal Musiala noch mit seinem speziellen Bayern-Buddy Leroy Sané. Florian Wirtz passte sich derweil den Ball mit Nico Schlotterbeck zu.

Doch spätestens beim EM-Anpfiff am Freitag (21.00 Uhr) sollen Musiala und Wirtz auf dem Rasen der Münchner Arena so zusammen zaubern, dass Gastgeber Deutschland den erhofften Traumstart gegen Schottland feiern kann. Das Turnier soll auch im Zeichen von „Wusiala“ stehen. Diese Wortschöpfung aus Wirtz und Musiala kursiert schon in Fanforen. 

18 Jahre nach dem WM-Sommermärchen mit „Poldi“ und „Schweini“ sind Jamal und Flo dazu auserkoren, als neues Jungstar-Duo eine EM-Hauptrolle zu spielen. Auch wenn sie ganz andere Typen sind, als es die liebenswerten Spaßvögel Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger 2006 waren. Auch sie waren damals 21 Jahre jung. 

Pavlovic verpasst EM – Nagelsmann holt Can

Am Mittwoch gab Julian Nagelsmann seinen „Zauberern“ im Team schon mal die große Bühne. Auf dem DFB-Podium in Herzogenaurach boten Musiala und Wirtz aber nicht eine extrovertierte Pressekonfrenz-Show à la „Schweini“ und „Poldi“. Sie präsentierten sich vielmehr zurückhaltend, höflich und bescheiden, lieber leise statt laut. „Wir wollen nicht die neuen zwei jungen Podolski und Schweinsteiger sein“, sagte Wirtz. Auch wenn das „natürlich Idole von früher“ seien – und ein Vergleich sehr ehrenhaft. Einen Titel würden auch sie gerne mal mit dem Nationalteam gewinnen, so wie die beiden Weltmeister von 2014. 

Musiala und Wirtz haben bei der EM die Chance – ein anderer Jungstar im DFB-Kader dagegen nicht mehr. Für Aleksandar Pavlovic (20) ist das Turnier wegen eines Infektes schon vor dem ersten Anstoß vorbei. „Das ist sehr schade für Pavlo“, kommentierte Bayern-Kollege Musiala. Bundestrainer Julian Nagelsmann reagierte auf das Pech des Jüngsten im Kader mit der Nachnominierung des Dortmunders Emre Can (30) – und nicht etwa mit Bayern-Profi Leon Goretzka. „Wir wollen noch einen Sechser im Kader“, äußerte Nagelsmann zu Can. 

Bei Wirtz und Musiala fehlt noch die Effektivität

Gegen Schottland kann der BVB-Kapitän nun von der Bank statt der heimischen Couch verfolgen, wie Musiala und Wirtz ihren Job auf dem Platz erledigen. Tore, Vorlagen, Dribblings, Doppelpässe – für die Wow-Effekte im Offensivspiel sind nämlich sie zuständig. „Wir sind vor allem verantwortlich, dass wir Tore herausspielen und Spiele gewinnen“, sagte Wirtz. Dafür müssen beide ihre Effektivität verbessern: Die ist im DFB-Trikot bei Musiala (29 Länderspiele, 2 Tore) und bei Wirtz (18/1) deutlich ausbaufähig. Musiala drückte es am Mittwoch so aus. Es gehe bei allem Spielwitz auch darum, „nicht in Schönheit zu sterben“.

Als Fußballer ähnlich sie sich. „Flo hat dieselben Ideen wie ich in der Box, er ist auch einfach ein guter Zocker“, sagte Musiala. Im Teamcamp bilden sie in einem der Holzhäuser mit vier Wohneinheiten quasi eine WG mit Kapitän Ilkay Gündogan und Hoffenheims Maximilian Beier. „Wir chillen miteinander, wir unterhalten uns. Wir spielen Basketball zusammen oder FIFA. Was halt Freunde machen“, sagte Wirtz über die Aktivitäten mit Musiala neben dem Platz.

Die „gemeine Frage“ nach Bayern oder Real

Natürlich kam am Mittwoch auch die Frage nach einer gemeinsamen Vereinszukunft. Sie hätten „schon ab und zu Späße“ darüber gemacht, verriet der noch langfristig an Bayer Leverkusen gebundene Wirtz. Ob er mal mit Musiala beim FC Bayern oder bei Real Madrid spielen werde, enttarnte er schlagfertig als „eine gemeine Frage“. Da müsste er sich ja festlegen – und tat es natürlich nicht. 

Toni Kroos, der seine ruhmreiche Karriere nach der EM beenden wird und gemeinsam mit Kapitän Gündogan das Youngster-Duo auf dem Platz führen und einsetzen soll, sieht „wenig Limit“ in der sportlichen Entwicklung von Wirtz und Musiala. „Beide bringen alles mit, um die nächsten zehn, 15 Jahre ganz oben mitzuspielen“, sagte der Real-Madrid-Star. 

Kroos traut Wirtz und Musiala ganz viel zu

Für Abwehrspieler könnten sie schnell zum Alptraum werden. „Flo und Jamal sind sehr schwer zu greifende Spieler, die im eins gegen eins überragend sind und Situationen auf engem Raum auflösen können.“ Als Verteidiger könne man da verzweifeln: „Wenn ich bei ihnen draufgehe, ist immer die Gefahr da, dass es einen Schlenker gibt. Und dann stehe ich da – und der Spieler ist nicht mehr da.“ Das ist – aus DFB-Sicht – die EM-Idealvorstellung.

Im Status unterscheiden sich Musiala und Wirtz, auch wenn sie beide als Stammkräfte ins Turnier starten. Für Musiala ist es nach der EM 2021 und der WM 2022 schon das dritte große Turnier. „Ich bin nicht mehr der normale junge Spieler“, sagte das „Bambi“ der Anfangszeit. Wirtz dagegen ist Turnier-Neuling, nachdem er die WM 2022 nach einem Kreuzbandriss verpasste. Aber der 67 Tage Jüngere geht mit dem Selbstbewusstsein des Leverkusener Double-Gewinners in die EM-Spiele. „Das letzte Jahr war das erste Mal, wo so richtig was herauskam“, sagte er stolz. Der Hunger nach weiteren Titeln ist geweckt.