Die EU-Kommission hat Strafzölle auf chinesische Elektroautos angekündigt. Greifen sollen die vorläufigen Zölle aber erst ab dem 4. Juli, falls Verhandlungen mit China scheitern, wie die Kommission am Mittwoch in Brüssel mitteilte. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) warnte vor einem „Handelskrieg“ mit Peking. Die deutsche Autoindustrie fürchtet Wettbewerbsnachteile, für Verbraucher könnten E-Autos theoretisch teurer werden.

Die EU-Kommission erklärte, sie sei in ihrer seit Herbst laufenden Wettbewerbsuntersuchung zu dem Schluss gekommen, dass batteriebetriebene Elektrofahrzeuge in China von einer „unfairen Subventionierung“ profitieren. Dadurch drohe EU-Herstellern „eine wirtschaftliche Schädigung“.

Zunächst will die Kommission aber noch das Gespräch mit den chinesischen Behörden und den Unternehmen suchen. Ergibt sich dabei keine Lösung, könnte der bisherige Zollsatz von zehn Prozent auf E-Autos aus der Volksrepublik deutlich steigen. Für den Hersteller BYD soll der Aufschlag laut Kommission 17,4 Prozent betragen, für Geely 20 Prozent und für SAIC sogar 38,1 Prozent.

Der Spitzensatz ist höher als von Experten erwartet. Er liegt allerdings deutlich unter dem der USA. Die US-Regierung hatte Mitte Mai eine Erhöhung ihres Zollsatzes für chinesische Elektroautos von 25 auf 100 Prozent angekündigt. Brüssel befürchtet deshalb, China könne seine subventionierten Autos stattdessen nach Europa exportieren. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte zugesichert, die EU werde „viel gezielter“ als Washington reagieren.

Verkehrsminister Wissing reagierte dennoch entsetzt: „Strafzölle der EU-Kommission treffen deutsche Unternehmen und ihre Spitzenprodukte“, schrieb er im Kurznachrichtendienst X. „Durch mehr Wettbewerb, offene Märkte und erheblich bessere Standortbedingungen in der EU müssen Fahrzeuge preiswerter werden, nicht durch Handelskrieg und Marktabschottung.“

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich wiederholt gegen Strafzölle ausgesprochen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit äußerte sich nun aber zufrieden über die Schonfrist für Verhandlungen mit China: „Bis zum 4. Juli gibt es noch Zeit, und das wäre aus unserer Sicht sehr wünschenswert, wenn man zu einer einvernehmlichen Lösung kommen kann“, betonte er in Berlin.

Die deutsche Autoindustrie kritisierte die Brüsseler Entscheidung dagegen scharf. Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sprach von einem „weiteren Schritt weg von globaler Zusammenarbeit“. Das Risiko eines globalen Handelskonfliktes nehme dadurch zu.

Die Zollerhöhungen könnten auch Unternehmen wie BMW oder Tesla treffen, die ihre Produktion nach China verlagert haben. Sie müssen im gewichteten Durchschnitt mit einem Zollsatz von 21 Prozent rechnen, wenn sie aus China in die EU importieren. Allerdings können die Hersteller individuelle Änderungen in Brüssel beantragen. Für deutsche Verbraucher könnten die Zollerhöhungen zudem steigende E-Auto-Preise bedeuten.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) äußerte Verständnis für das Brüsseler Vorgehen: China habe nach den geltenden Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) einen Wettbewerbsverstoß begangen. Deshalb sei es richtig, dass die EU-Kommission „ihre Defensiv-Instrumente auch konsequent einsetzt“, betonte der BDI. Nun müssten die Auswirkungen auf europäische Unternehmen „so gering wie möglich“ gehalten werden.

Scharfe Reaktionen kamen aus China selbst: Die chinesische Außenhandelskammer in der EU (CCCEU) zeigte sich „schockiert“ und „ernsthaft enttäuscht“. Die EU-Kommission setze auf „protektionistische“ Handelspolitik. Die chinesische Regierung hatte Brüssel mehrfach vor Strafzöllen gewarnt.

In Brüssel hatte sich insbesondere Frankreich für Zollerhöhungen stark gemacht. Französische Autobauer sind weniger in China vertreten als die deutschen. 

Um die Kommissionsentscheidung zu kippen, gibt es hohe Hürden: Deutschland müsste im Ministerrat eine Mehrheit von 15 Mitgliedsländern organisieren, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen. Gelingt dies nicht, träten die zunächst vorläufigen Strafzölle nach einigen Monaten endgültig in Kraft.