Viel schlimmer hätte es für die Ampel bei der Europawahl kaum kommen können. Trotz des Desasters will sie zusammenbleiben. Ob das wirklich noch funktioniert, wird sich bis Anfang Juli zeigen.

Trotz teils dramatischer Verluste bei der Europawahl haben die Ampel-Parteien Forderungen nach einer Neuwahl des Bundestags zurückgewiesen. Die Parteispitzen von SPD, FDP und Grünen sprachen Bundeskanzler Olaf Scholz das Vertrauen aus, der das schlechteste Ergebnis der Sozialdemokraten bei einer gesamtstaatlichen Wahl seit mehr als 130 Jahren mitzuverantworten hat. 

Ob die Zusammenarbeit in dem angeschlagenen Bündnis tatsächlich noch funktioniert, werden nun die nächsten Wochen zeigen. Die Haushaltsverhandlungen werden zur Bewährungsprobe für die Regierungskoalition. Am 3. Juli will das Kabinett seine Pläne vorlegen.

Scholz: Müssen unsere Arbeit machen

Scholz selbst rief die Ampel dazu auf, weiter ihre Arbeit zu machen. „Das Wahlergebnis war für alle drei Regierungsparteien schlecht“, sagte er nach einem Treffen mit dem Präsidenten Chiles, Gabriel Boric, in Berlin.

„Keiner ist gut beraten, der jetzt einfach zur Tagesordnung übergehen will. Gleichzeitig geht es aber auch darum, dass wir unsere Arbeit machen, dafür zu sorgen, dass unser Land modern wird, dass es vorankommt.“ Man müsse sich nun darauf vorbereiten, „dass die Zustimmung immer größer werden wird, sodass man auch bei der nächsten Bundestagswahl die Ergebnisse dieser Arbeit zur Wahl stellen kann.“ 

Die Frage, welche Verantwortung er selbst für die Wahlniederlage trägt, beantwortete Scholz nicht. Mit 13,9 Prozent hatte seine SPD am Sonntag das schlechteste Ergebnis eingefahren, seit sie 1891 erstmals unter diesem Namen bei einer gesamtstaatlichen Wahl antrat. Im Wahlkampf hatte sich der Kanzler bewusst in die erste Reihe gestellt, ließ sich an der Seite von Spitzenkandidatin Katarina Barley plakatieren und trat auf mehreren Großveranstaltungen als Top Act auf. Das Wahlergebnis geht deshalb auch auf sein Konto. 

Generalsekretär Kevin Kühnert nahm ihn in Schutz. Dass der Wahlkampf schlecht gelaufen sei, heiße nicht, dass er ohne Scholz auf den Plakaten besser gelaufen wäre, sagte er trotzig. „Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen, das ist unsere gemeinsame Wahlniederlage.“

Lindner sieht „keinen Grund, Vertrauen infrage zu stellen“

Auch FDP-Chef Christian Lindner zog die Führungsfähigkeit des Kanzlers und die Ampel als Regierungsmodell nicht in Zweifel. „Wir haben ein gemeinsames Regierungsprogramm, einen Koalitionsvertrag, an dem wir gemeinsam arbeiten. Und solange sich alle zu der Arbeitsgrundlage bekennen, gibt es ja keinen Grund, Vertrauen infrage zu stellen“, sagte er. 

Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Omid Nouripour. „Es braucht keine Vertrauensfrage“, sagte er auf eine Journalistenfrage nach dem Rückhalt für die Koalition und Kanzler Scholz. Man habe mit SPD und FDP einen Vertrag für vier Jahre geschlossen, an dem man festhalte.

Haushaltsverhandlungen mit harten Bandagen

Was auf den Ampel-Pressekonferenzen gesagt wurde, sind aber zunächst einmal nur Durchhalteparolen. Ob die Ampel wirklich noch funktioniert, wird sich in den Haushaltsverhandlungen zeigen, die ohnehin schon schwierig genug sind. SPD-Chef Lars Klingbeil hat als Konsequenz aus dem Wahlergebnis bereits angekündigt, mit harten Bandagen für die Belange seiner Klientel einzutreten. „Unsere Leute wollen uns kämpfen sehen.“ Und Kühnert kündigte an: „Einen Sparhaushalt auf Kosten des sozialen Zusammenhalts – den kann, den wird es mit der Sozialdemokratie nicht geben.“ 

Dem stehen das strikte Festhalten von Finanzminister Lindner an der Schuldenbremse und das Nein der FDP zu Steuererhöhungen entgegen. Noch am Wahlabend bekräftigte der FDP-Chef stattdessen seine Forderung nach einem „Update“ für das Bürgergeld. Lösungen für die offenen Haushaltsfragen sind noch nicht in Sicht. Der 3. Juli soll der Tag der Wahrheit werden. Dann soll das Kabinett den Haushalt beschließen.

Söder: Noch keine Vorentscheidung der K-Frage

Die Neuwahl-Forderungen waren schon am Sonntagabend vor allem aus der Union gekommen. CDU-Chef Friedrich Merz sagte, das Ergebnis sei für die Parteien der Bundesregierung „ein komplettes Desaster“. Was das Ergebnis der Union von 30 Prozent angeht, stapelte er tief. Dies sei „an der Untergrenze“ dessen, was er erwartet habe, und Ansporn für weitere Herausforderungen. 

CSU-Chef Markus Söder betonte, dass mit dem Ergebnis die Kanzlerkandidaten-Frage der Union noch nicht geklärt sei. „Nein, das war keine Vorentscheidung. Kann es ja auch gar nicht sein ehrlicherweise“, sagte er dem Sender n-tv auf eine entsprechende Frage. „Denn es muss zu dem Zeitpunkt, wenn eine Bundestagswahl ist, die richtige Zeit für die Vorbereitung kommen.“ So sei es vereinbart. CDU-Chef Merz und er arbeiteten wirklich engstens zusammen.