Zehntausende kommen zu einer Demo gegen rechts in Hamburg. Zwei Tage vor den Europa- und Bezirkswahlen setzt ein breites gesellschaftliches Bündnis ein Zeichen für Demokratie und Zusammenhalt.
Zwei Tage vor den Europa- und Bezirksversammlungswahlen sind in der Hamburger Innenstadt Zehntausende gegen Rechtsextremismus und für die freiheitliche Demokratie auf die Straße gegangen. Zu der Großkundgebung unter dem Motto „Rechtsextremismus stoppen – Demokratie verteidigen – Wählen gehen!“ hatte am Freitag ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Unternehmensverbänden, Kirchen und Umweltorganisationen aufgerufen.
Die Versammlungsleitung sprach von 30.000 Teilnehmern. „Dies ist ein klares Signal gegen Rechtsextremismus und für ein friedliches Miteinander“, hieß es von den Organisatoren, die sich selbst als „Bündnis der Bündnisse“ bezeichnen. Die Polizei gab die Teilnehmerzahl nach vorläufigen Angaben am Abend mit 26.000 an.
„Es liegt in unserer Hand, welche Richtung Europa einschlägt“, sagte Nordkirchen-Bischöfin Kirsten Fehrs bei der Auftaktkundgebung. „Das bedeutet: Klarer Widerstand gegen Rechtsextremismus – aber ohne Gewalt!“ Wenn Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihres Aussehens diskriminiert, verachtet und angegriffen werden, dürfe man nicht schweigen, mahnte die amtierende EKD-Ratsvorsitzende, die gemeinsam mit Landesrabbiner Shlomo Bistritzky und der stellvertretenden Vorsitzenden des Rats der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg (Schura), Özlem Nas, auf die Kundgebungsbühne in der Ludwig-Erhard-Straße getreten war.
Der interreligiöse Dialog sei ein wichtiges Zeichen des Zusammenhalts. Diese Freundschaft lasse man sich nicht kaputt machen, sagte die Bischöfin. „Nicht von Antisemiten, nicht von Islamfeinden. Nicht von Fanatikern, die Menschen im Namen der Religion gegeneinander aufhetzen wollen. Und erst recht nicht von völkischen Ideologen, die Menschen nach ihrer Herkunft auseinandersortieren und gegeneinander ausspielen wollen.“
Die AfD versuche, die Gesellschaft zu spalten, sagte Nas. Die Demonstration setze dagegen ein Zeichen „und spendet Hoffnung für diejenigen Menschen, zu denen auch ich gehöre, und die die völkische Ideologie von der deutschen Landkarte tilgen will“.
Keine Generation sollte je mehr erleben, was erst vor wenigen Jahrzehnten unter den Nationalsozialisten geschehen ist, sagte Landesrabbiner Bistritzky . „Nie wieder Hass, nie wieder Rassismus, nie wieder Antisemitismus, nie wieder Fremdenfeindlichkeit!“, rief er der Menge zu. Und: „Nie wieder heißt, jetzt.“
Bei den Wahlen komme es auf jede Stimme an, sagte Hamburgs DGB-Chefin Tanja Chawla. „Klar ist: Die AfD ist Feindin der Beschäftigten. Wir sagen: Wählt Zukunft, wählt demokratisch!“ Der Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbands Nord (UV Nord), Thomas Fröhlich, warnte vor einem Rechtsruck. Jeder vierte Beschäftigte der Unternehmen im Norden habe Migrationshintergrund. „Wir werden uns unsere hart erarbeitete und heute ganz selbstverständlich etablierte Willkommenskultur von nichts und niemandem nehmen lassen.“
Ein Zeichen des Zusammenhalts setzten auch die ansonsten rivalisierenden großen Hamburger Fußball-Clubs: Demokratie sei Teamsport, betonten St. Pauli-Präsident Oke Göttlich und HSV-Prokuristin Marieke Patyna, die gemeinsam auf die Bühne traten. „In diesen Zeiten ist es wichtiger denn je, dass wir uns alle einbringen und zusammen die Stimme erheben: Für Vielfalt und demokratische Werte. Gegen Hass und Ausgrenzung“, sagte Patyna.
Musikalisch begleitet wurde die Kundgebung von der Indie-Pop-Band Provinz und vom Sänger und Liedermacher Joris, der seinem Publikum mitgab: „Schön, dass ihr am Sonntag alle demokratisch wählen geht.“ In der Menge waren Plakate mit Slogans wie „Ja zum Rechtsstaat. Nein zu Rechts“, „Hass + Hetze sind keine Alternative für Deutschland“ oder „Huck Föcke“ zu sehen. Über der Kundgebung zog ein Flugzeug ein Banner mit der Aufforderung „GoVote“ (Geh wählen) durch den Hamburger Himmel.
Unter den Demonstranten waren auch Vertreter von SPD, Grünen, CDU, Linken und FDP. Die AfD hatte eine Absage der Kundgebung gefordert. Dadurch werde das gesellschaftliche Klima weiter vergiftet „und gewaltbereite Linksextremisten fühlen sich in ihrem Tun bestätigt“, hieß es mit Bezug auf einen Angriff auf einen AfD-Kommunalpolitiker in Mannheim aus der Bürgerschaftsfraktion.
Bereits Mitte Januar waren in der Hansestadt rund 180.000 Menschen gegen rechts auf die Straße gegangen. Auslöser damals war das Bekanntwerden eines Treffens von Rechtsextremisten unter anderem mit AfD-Politikern in Potsdam.